Der Unversöhnliche

Ephraim Kishon, populärster jüdischer Nachkriegsautor in Deutschland, starb gestern Nacht 80-jährig in der Schweiz

Seine Bücher waren in den Sechziger-, Siebzigerjahren ähnlich oft in den Bestsellerlisten wie heutzutage jene von Henning Mankell. Ephraim Kishon nahm dies stets nicht nur als persönlichen Triumph, sondern auch als einen politischen: „Ich wurde zum Lieblingsautoren der Nachkommen meiner Henker, das ist die wahre Ironie der Geschichte.“ Seine Geschichten hießen „Der Blaumilchkanal“ (mit der er in den Fünfzigern in Israel erstmals literarisch erfolgreich wurde, in der Bundesrepublik 1974 veröffentlicht), „Dreh’n Sie sich um, Frau Lot“, „Arche Noah, Touristenklasse“ oder „Der seekranke Walfisch“ – und gerade die Deutschen liebten ihn für diesen Humor, der vom Leben als solchem, in erster Linie aber vom Überleben in einem nervösen und lebenstüchtigen Land namens Israel handelte.

Es war den Deutschen die erste schriftstellernde Bekanntschaft mit einem Juden nach dem Nationalsozialismus – und die Popularität Kishons mag auch gerade damit zu tun haben. Dass da ein Jude was von der Welt zu erzählen hatte, die die eigene hätte sein können, wirkte identitätsstiftend, zumal Kishon nicht als Rächer der Ermordeten auftrat, sondern eben als Verführer einer Humortradition, die mit dem Jahre 1945 in Mitteleuropa ausgelöscht schien – ein Witzeerzähler aus dem wirklichen Leben, kein Romantiker.

Kishon hätte freilich allen Grund gehabt, gerade Deutschland zu meiden. Geboren am 23. August 1924 in Budapest als Ferenc Hoffmann, Spross einer Bankdirektorenfamilie, wäre auch der spätere Schriftsteller – wie die meisten seiner Angehörigen – ein Opfer des Holocaust geworden, hätte ihm nicht seine Begabung für das Schachspiel geholfen, Zeit zu gewinnen. Im Arbeitslager wurde er öfters vom Kommandanten für ein Spielchen angeheuert – nach der letzten Partie nutzte Kishon die Gelegenheit zur Flucht. 1949, eben auf einem Flüchtlingsschiff im Hafen von Haifa angekommen, wurde sein Name geändert: Aus Kishont wurde Kishon – das t störte die hebräische Schreibweise –, und zum Vornamen Ferenc meinte der Einwanderungsbeamte nur barsch: „Gibt es nicht“, aber Ephraim. „An jenem Tag bin ich wiedergeboren worden“, sagte er vor vielen Jahren am Rande einer Lesung in Hamburg.

Kishons Leidenschaft galt zeitlebens dem israelischen Staatsprojekt. Insofern war ihm die Neue Linke in der Bundesrepublik, die seit dem Sechstagekrieg 1967 ihre Sympathie mehr und mehr den Palästinensern entgegenbrachte, ein Gräuel – und die Presseerzeugnisse aus dem Hause Axel Springer umso heimatlicher. Eine Zuneigung, die dem Autor seitens der multikulturellen Schichten übel genommen wurde – wie manche Urteile über ihn (etwa, dass er nun wirklich kein guter Schriftsteller sei) illustrieren.

Kishon, der den Deutschen der Nachkriegszeit, noch zur Scham und zur Schuldanerkenntnis unfähig, das Vergangenheitsbewältigen ein Stück möglicher machte, äußerte sich in seinem letzten, den Stuttgarter Nachrichten gegebenen Interview, ungewöhnlich politisch zum nahen Staatsbesuch von Bundespräsident Horst Köhler in Israel: „Er sollte sein Mitgefühl äußern, und er sollte um Entschuldigung dafür bitten, was dem jüdischen Volk angetan worden ist.“ Annäherung könne er sich vorstellen, viele, nicht alle Deutsche schätze er, aber: „Wiedergutmachung ist unmöglich.“

Kishon, der seinen Witz nutzen musste, um seelisch zu überleben. Ein Mann, der das Leben liebte und doch privat eher depressiv war. In der Schweiz starb er in der Nacht zum Sonntag im Alter von 80 Jahren an einer Herzattacke. JAN FEDDERSEN