: Das Schweigen der Fäuste
RUMMELBOXEN Wladimir Klitschko braucht dringend einen Gegner. Nach der Absage von David Haye wird der ukrainische Weltmeister gegen irgendjemand anders kämpfen
BOXTRAINER MICHAEL TIMM
AUS GOING SUSANNE ROHLFING
Wladimir Klitschko wollte nicht reden. Er wollte kämpfen. Doch das Schwergewichtsboxen zeichnet sich dieser Tage nicht durch spektakuläre Ringschlachten aus. Stattdessen verkommt es immer mehr zu einem verbalen Kräftemessen von Managern und Anwälten. Seit fünf Wochen bereitet Klitschko sich im österreichischen Going bei Kitzbühel auf sein geplantes Duell mit dem Briten David Haye am 20. Juni in der Schalker Fußball-Arena vor. Am Mittwoch hatte er einer großen Schar Journalisten aus Deutschland und Großbritannien gerade erklärt, dass er sich von den Provokationen Hayes nicht aus der Ruhe bringen lasse – „Wenn die Fäuste reden, werden wir sehen, wer die besseren Argumente hat“, sagte Klitschko –, da kam sein Manager Bernd Bönte herein und zerstörte die gelassene Stimmung des Haudraufs aus der Ukraine. Haye habe gerade wegen einer Verletzung abgesagt, teilte Bönte mit. Die Fäuste werden also wieder einmal schweigen.
Dem ersten Entsetzen folgte bei Klitschko trotzige Zuversicht: „Ich werde am 20. Juni auf jeden Fall boxen.“ Rund 50.000 Karten für das Spektakel im Stadion sind bereits verkauft; der 33-Jährige stand seit seinem wenig spektakulären Sieg über Hasim Rahman am 13. Dezember nicht mehr im Ring. „Ich will im Geschäft bleiben“, betonte der jüngere der beiden Schwergewichts-Weltmeister aus dem Hause Klitschko. Am Donnerstag lagen ihm bereits ein knappes Dutzend Angebote von Schwergewichtsboxern aus aller Welt vor, die für Haye einspringen wollen.
Im Geschäft zu bleiben, das ist dennoch nicht immer so einfach. Diese Erfahrung machten erst am vergangenen Wochenende die beiden WBA-Weltmeister Ruslan Tschagajew (Usbekistan) und Nikolai Walujew (Russland). Ihr geplantes Duell war am vergangenen Freitag 24 Stunden vor dem ersten Gong vom finnischen Verband verboten worden, weil dieser eine Ansteckungsgefahr des vor Jahren an Hepatitis B erkrankten Usbeken nicht ausschließen wollte. Da Tschagajew und Walujew beide gerade eine Vorbereitung absolviert haben, waren sie am Mittwoch die Ersten, die als mögliche Ersatzgegner für Klitschko gehandelt wurden, zumal beide als angemessene Klitschko-Gegner vor großer Kulissen gelten können. Walujew, weil er so groß ist, und Tschagajew, weil er der einzige ist, der den russischen Riesen schon mal bezwungen hat.
Bernd Bönte fragte noch am Mittwochabend bei beiden Managements an, erhielt von Walujews Promoter Wilfried Sauerland jedoch schon kurz darauf eine Absage. „Nikolai hat seit einer Woche nicht mehr trainiert und befindet sich zurzeit privat in Süddeutschland“, erklärt Sauerland-Sprecher Heiko Mallwitz. „Er hat sich auf einen 1,84 Meter großen Rechtsausleger vorbereitet.“ Um gegen den zwei Meter langen Normalausleger Klitschko in den Ring zu steigen, wolle Walujew „eine 100-prozentige Vorbereitung absolvieren“.
Weniger zögerlich zeigte man sich bei Tschagajews Hamburger Management Universum. Promoter Klaus-Peter Kohl will die Anfrage von Bönte prüfen: „Grundsätzlich ist das ein interessantes Gedankenspiel.“ Allerdings wird man bei Universum wohl keine Entscheidung fällen, bevor die WBA nicht über die Zukunft des Duells Walujew gegen Tschagajew entschieden hat, sollte doch der Sieger dieses Kampfes zum einzig wahren Weltmeister des Verbandes gekürt werden. Wladimir Klitschko hatte kein Verständnis für die Absage in Helsinki gezeigt, schließlich habe Tschagajew auch beim ersten Duell gegen Walujew vor zwei Jahren ähnliche Blutwerte gehabt.
Er selbst hätte sich ganz einfach impfen lassen, sagte Klitschko. Tschagajews Krankengeschichte dürfte einem möglichen Duell mit dem Ukrainer also nicht im Weg stehen. Und Michael Timm, der Trainer des 30-Jährigen, sagte: „Wir sind nach der Spinnerei in Helsinki drangeblieben, und wir sind bereit.“
Ob sich die Managements einigen können, darüber wollte der Trainer nicht spekulieren: „Seit letztem Wochenende weiß ich nicht mehr, was möglich ist und was nicht.“ Eine kurzfristige Umstellung von Walujew auf Klitschko schrecke ihn und Tschagajew aber nicht. „Ein mulmiges Gefühl hat man sowieso immer, das ist so in diesem Sport“, sagte Michael Timm. „Wer am Ende die besseren Nerven hat, setzt sich durch.“ So einfach könnte das Boxen sein, wenn es nicht zu viele Beteiligte gäbe, die mitreden und mitverdienen wollen.
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