theater
: Säulenheiliger der No-Future-Szene

Er ist das Urbild des hilflosen Rebellen, des „angry young man“. 1956 erfand der englische Bühnenautor John Osborne den Bonbonverkäufer Jimmy Porter, von der Banalität des Lebens angeekelter Protagonist des damals skandalträchtigen Stückes „Blick zurück im Zorn“, das zurzeit am Kölner Theater im Bauturm zu sehen ist.

Bei Regisseur Stefan Rogge sieht Jimmy (Glenn Goltz) wie ein Bürgerschreck aus den Achtzigern aus: In schwarzen Gewändern irgendwo zwischen Punk und New Wave, das Gesicht weiß gekalkt wie weiland die Sänger von Kiss oder Visage, wirkt der gefrustete Süßwarendealer wie ein Säulenheiliger der No-Future-Szene, wie die Ohne-Mich-AG in Person.

Obwohl noch jung, hat College-Absolvent Jimmy schon längst keine Illusionen mehr. Ziel und Inhalt fehlen in seinem Leben – ein Zustand, der ihn zugleich lähmt und agressiv macht. Zusammen mit Ehefrau Alison (Pirkko Cremer) und Freund Cliff (Roland Silbernagl) hockt er in einem scheußlichen Wohnzimmer und fragt Sinn suchend: „Wofür sollen wir unser Blut vergießen?“ Seine zynische Perspektivlosigkeit und seine durch maßlose Langeweile verursachten Gemeinheiten treiben Alison aus dem Haus, doch Ersatzbraut Helena (Ila Stuckenberg) steht schon bereit – und langweilt sich so lange mit Jimmy, bis Alison zurückkehrt, um mit ihrem Mann einen Neuanfang zu versuchen.

Es bleibt unklar, wann und wo Stefan Rogge seinen Einblick ins enttäuschte akademische Verweigerungsproletariat ansiedelt. Anspielungen in Text und Requisite verweisen auf junge Kiffer im Köln der Jetztzeit, die düstere Kostümierung sowie die punkige Live-Begleitung auf der E-Gitarre (Musik: Andreas Dabatin) wirken da etwas antiquiert. Inszenatorisch bewegt sich die Aufführung zwischen der Groteske des absurden Theaters und der grellen Realitätsschau des britischen Dramas der Neunziger. Häufig wird der Erzählfluss unterbrochen, das Stück als solches ironisiert und aufgebrochen, das Publikum seiner Illusion beraubt, damit es auch ja merkt: Wunschvorstellungen jeder Art haben im erbarmungslosen Kaltlicht dieser Szenerie nichts zu suchen.

Glenn Goltz als Jimmy überzeugt in seinen Monologen, ansonsten kommt die Aufführung eher kraftlos daher. Zu monoton wird hier das Lebensgefühl einiger sensibler Jammergestalten beschworen, zu konturlos wirkt die Darstellung von Gefühlen, die unter mehreren Schichten Abgestumpftheit verborgen liegen. Ein Klassiker des Protests, leider ohne echte Power. Auch ein Grund zum Ärgern.

Holger Möhlmann

„Blick zurück im Zorn“, Theater im Bauturm, Köln, Aachener Str. 26, Tel. 0221/52 42 42, Vorstellungen: 01., 02., 11., 13.02., jeweils 20 Uhr