Der Letzte stellt die Stühle hoch

Weil Kinder fehlen, werden Gymnasien fusioniert. Schüler und Eltern befürchten weitere Wege und Profilverlust. Politiker sehen keine Alternative

VON ULRIKE LINZER

„Hurra, hurra, die Schule brennt“, sangen Schüler einst bei jeder Klassenfete – und träumten davon, die verhasste Penne loszuwerden. Heute gehen sie auf die Straße, damit ihre Schule erhalten bleibt. 650 Schüler, Eltern und Lehrer demonstrierten kürzlich für den Verbleib des Hans-und-Hilde-Coppi-Gymnasiums in Karlshorst.

„Wir verlieren die einzige Oberschule am Ort“, klagt Elternvertreter Alexander Schwarz. Die Coppi-Schule soll mit dem Immanuel-Kant-Gymnasium an dessen Standort in Rummelsburg zusammengelegt werden – zwei S-Bahn-Stationen entfernt. Die Coppi-Schüler fürchten aber auch den Verlust ihres speziellen musischen Profils. Schulorchester, Musikwerkstätten und Klassen mit besonderer musikalischer Förderung sehen sie durch die geplante Fusion gefährdet.

„Ausrichtung und Lehrer sollen bleiben“, beruhigt Bezirksbildungsstadtrat Michael Räßler (PDS). „Beide Schulen würden ihre Namen aufgeben, und ein neuer würde beschlossen.“ Aber ein Standort müsse geschlossen werden. Denn wegen des Geburtenknicks nach der Wende fehlt es an Schülern (siehe Kasten). Das Gesetz schreibe pro Schule mindestens drei Klassen am Beginn des siebten Schuljahres vor. Die bekomme man künftig nicht mehr zusammen, so Räßler.

Doch die Eltern beruhigt das kaum. „Manche Kinder müssen schon zum dritten Mal die Schule wechseln, weil eine Schule nach der anderen geschlossen wird“, beschwert sich Elternvertreter Schwarz. Stadtrat Räßler versucht, das zu berücksichtigen. So war für die Fusion zunächst auch das im Süden Lichtenbergs gelegene Georg-Forster-Gymnasium im Gespräch. Das aber sei schon einmal mit einer anderen Schule zusammengelegt worden. Davon müsse es sich erst erholen, so Räßler. Außerdem habe es einen mathematisch-naturwissenschaftlichen Schwerpunkt, den die anderen Gymnasien nicht bieten können. „Die Entscheidung muss bis spätestens 22. Februar fallen, denn am 28. Februar beginnen die Anmeldefristen für das nächste Schuljahr“, so Räßler.

Zudem böte sich für das Coppi-Gymnasium schon ein potenzieller Nachnutzer an: eine Privatschule. Der gemeinnützige Verein Kappe e. V. eröffnete vor zwei Jahren in Karlshorst eine Filiale der Leipziger BIP Kreativitätsgrundschule. „BIP“ steht für Begabung, Intelligenz und Persönlichkeit – die rund 100 Schüler erhalten zum monatlichen Preis von 226 Euro Unterricht in Chinesisch, Arabisch, Schach, Kunst und Musik – zusätzlich zum klassischen Lernstoff. Die ersten vier Klassen nutzen derzeit das einstige Gebäude einer öffentlichen Grundschule in der Ehrlichstraße. Die musste vor zwei Jahren ziemlich plötzlich schließen. Nach den Sommerferien gab es dann schon die BIP.

Die will nun erweitern. Im Herbst wird es neue Erstklässler geben. Und Schulleiterin Steffi Poßner will vom nächsten Schuljahr an die Einrichtung einer zweizügigen Oberschule beantragen, zunächst bis zur zehnten Klasse, „langfristig aber bis zum Abitur“.

Über mögliche Räume hat sie mit dem Bezirk noch gar nicht verhandelt, da die Senatsverwaltung zunächst ein neues Schulkonzept genehmigen muss. Anbieten würde sich eine leer stehende Schule auf dem Nachbargrundstück. Die gehört dem Liegenschaftsfonds, ist aber stark sanierungsbedürftig.

Und es gibt das Coppi-Gymnasium. Dessen Elternvertreter Alexander Schwarz fürchtet, dass es dort so kommt wie bei der Grundschule. Da habe schon am letzten Schultag die das Gebäude übernehmende Privatschule ihren Rundgang gemacht.