JENNI ZYLKA über PEST & CHOLERA
: Im Kindergarten der Verschwörungen

Die Welt steckt voller verschlüsselter Botschaften – wir müssen nur guten Willen zeigen und ganz fest daran glauben

Das Tiefdruckgebiet, das gerade die Winterluft über Europa pustet, heißt Karlheinz und ist angeblich für Meldungen wie „Schnee in der Sahara“ zuständig. Das bringt mich auf zwei Dinge: Erstens kann es nun nur noch eine Sache von Monaten sein, bis die Namen der Druckgebilde sich den Vornamen annähern, mit denen heutzutage Eltern ihre frischen Kinder ärgern. Bekanntlich werden die Hochs und Tiefs durch Wetterpatenschaften am Berliner Institut für Meteorologie benannt, und ich habe schon furchtbar Angst vor dem Augenblick, wenn „Leon“, „Laura“ und „Jonas“ durch die Wettervorhersage geistern und sie klingen lassen wie ein Nachmittag auf dem Spielplatz im Prenzlauer Berg. Und zweitens erinnert mich „Schnee in der Sahara“ daran, wie Audrey Hepburn in „Frühstück bei Tiffany“ unwissend verschlüsselte Botschaften zwischen dem Herrn im Gefängnis und seinem Rechtsanwalt hin- und herschmuggelt, die ebenfalls in Wettervorhersagen verpackt sind: „Schnee über New Orleans“.

Ich wäre kein echter Verschwörungstheoriefan, wenn ich also der Meldung „Schnee in der Sahara“ nicht erst mal misstraute: Und wenn das nur eine geheime Nachricht von Weltverschwörer zu Weltverschwörer ist? Von Weltvernichter zu Weltvernichter? Dr. No schreibt an Ernst Stavro Blofeld? Weil einer von den beiden eine Wettermaschine erfunden hat, mit der man das Weltklima verändern und so die Erde quasi das Klo runterspülen kann wie in „The Avengers“? Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Gangster sich etwas ausdenkt, das es schon einmal im Film gab. Das ginge bestimmt gegen die Großschurkenehre.

Außer in den Wetternachrichten habe ich in letzter Zeit aber noch andere medial übermittelte Geheimbotschaften abgefangen. Am meisten lese ich immer aus Sendungen wie „Wer wird Millionär?“ oder der „Quizshow“ heraus. Gar nicht aus den Fragen oder Antworten, sondern aus dem Verhalten der Moderatoren. Günther Jauch beispielsweise redet auffällig oft über Autos. Er versucht regelmäßig, das Gespräch auf die Frage zu bringen, ob der oder die KandidatIn sich vom Gewinn einen neuen Wagen kaufen wird, und spricht dann über Typen, die „A2“ oder „A3“ zu heißen scheinen, ich habe keine Ahnung, ob es diese Art Autos überhaupt gibt, da ich mich mit Fahrzeugen, die nach 1975 gebaut wurden, nicht auskenne. Also liegt die Vermutung nahe, dass er damit etwas ganz anderes jemand ganz anderem mitteilen möchte, vielleicht, das würde zu der Buchstaben-Zahlen-Kombination passen, geht es um Anschläge auf militärische Einrichtungen, die sich in bestimmten Koordinaten befinden. Also denkbar wäre das jedenfalls.

Hinter den penetranten Klingeltonwerbungen vermute ich ebenfalls Düsteres. Ich bin sicher, dass Menschen nicht wirklich andauernd für Geld ihren Klingelton ändern. Denn die Klingeltöne, die ich in der Öffentlichkeit höre, sind meistens „Dideldüdeldit“-Telekom-Standards oder sonstige Digitalgeräusche aus dem Handyspeicher. Ich kenne niemanden, der sich schon einmal ein so genanntes Klingelton-Abo gekauft hat, damit er jede Woche eine andere Melodie geschickt bekommt, das wäre ja auch äußerst unangebracht – man müsste immer wieder von neuem lernen, wie das eigene Handy klingelt. Ich denke eher, dass man in Wahrheit kodierte Töne und Bilder auf sein Handy geschickt bekommt, Töne, in deren Frequenzbereich sich irgendwo Namen und Daten verstecken, und Bilder, die mit einem bestimmten Filter plötzlich zu Grundrissen von Gebäuden werden. Es wundert mich, dass trotz Lauschangriff und Terrorabwehrprogrammen diesem Tun noch niemand ein Ende gesetzt hat!

Ganz sicher bin ich übrigens, dass die Zahlen, die auf den Shopping-Kanälen oben in der Ecke stehen und angeblich anzeigen, wie viele Leute gerade die Supermiederhose oder die Zimtlatschen gekauft haben, auf jeden Fall eine Botschaft darstellen. Das scheint eine Art gefährlicher Count-down zu sein. Und bei null explodiert das Medienzentrum in Unterföhring oder so ähnlich. Wenn die wüssten …

Fotohinweis: JENNI ZYLKA PEST & CHOLERA Fragen an Dr. No? kolumne@taz.de Morgen: Barbara Bollwahn ROTKÄPPCHEN