VHS spielt Solo zum Geburtstag

JUBILÄUM Die Volkshochschule feiert ihren 90. Geburtstag, die Uni Hamburg erst mal nicht. Beide wurden 1919 in einem Akt von der ersten demokratischen Bürgerschaft gegründet – als Institutionen für freie Volksbildung

An die Universität berufene Professoren waren verpflichtet, an der Volkshochschule mitzuarbeiten

VON MART-JAN KNOCHE

Die erste demokratisch gegründete Universität Deutschlands wird 90 und keiner feiert. „Wozu auch?“, fragt Jochen Taaks, Geschäftsführer der Uni Marketing GmbH, zuständig für Veranstaltungen der Uni Hamburg. Es sei eine krumme Zahl und deshalb „nicht sonderlich spannend“.

Akademische Feiern mit langen Reden und Violinkonzerten würden meist damit enden, dass alle gelangweilt nach Hause gingen. Taaks: „Das ist nicht mehr so in der Zeit.“ Darüber gesprochen habe man zwar mit dem Uni-Präsidium. Doch die Volkshochschule werde das gemeinsame Jubiläum 2009 allein feiern.

Am 12. Juni zelebriert die Volkshochschule (VHS) mit allerlei Reden und einem Benefizkonzert ihren Geburtstag – auf dem Uni-Campus, im Altbau der Staatsbibliothek. Bis in den Herbst laufen Aktionen wie „Meine VHS-Geschichte“ oder „Mein Euro für die Bildung“. Kursteilnehmer sind aufgerufen, eigene Erfahrungen aufzuschreiben und für kostenlose Plätze zu spenden. Sie habe sich schon gewundert, sagt VHS-Chefin Hannelore Bastian, dass „die Uni den Geburtstag wohl nur im kleinen Rahmen feiern wird“. Ob das mit den „Querelen“ um dem möglichen Umzug und dem Führungsstil des Präsidiums zusammenhänge, wisse man nicht. Im VHS-Beirat, dem traditionell auch ein Präsidiumsmitglied der Uni angehört, habe man das Thema nicht besprochen.

Am 28. März 1919 kamen sie gemeinsam zur Welt: In der dritten Sitzung der ersten demokratisch gewählten Hamburger Bürgerschaft wurde das „Notgesetz über die Hamburgische Universität und die Volkshochschule“ nahezu einstimmig angenommen. Es war die erste Universitätsgründung durch einen Parlamentsbeschluss in Deutschland. Gerade war das wilhelminische Reich zusammengebrochen, gerade das Revolutionsjahr 1918 mit seinen Arbeiter- und Soldatenräten vorüber. Die SPD-Fraktion hatte die absolute Mehrheit errungen. Die neuen Bildungsinstitutionen sollten sofort „allen Gliedern des Volkes die Möglichkeit schaffen, diejenigen Geistesfähigkeiten zu erwerben, die sie für wünschenswert hielten“, hieß es in einer Rede des SPD-Abgeordneten Emil Krause.

Zuvor galt jahrhundertelang das Schlagwort von „der genialen Einseitigkeit“ der Handels- und Kaufmannsstadt: Die Kaste der Pfeffersäcke sah im Senat ein Instrument eigener Interessen. Und in höherer Bildung sah man „ein Bleigewicht für die wirtschaftliche Stoßkraft Hamburgs, das alle seine Mittel dem Hafen zuwenden sollte“, wunderte sich Oberbaudirektor Kurt Schumacher noch 1909.

Eine Reformuniversität, die bereits am 10. Mai 1919 in der Musikhalle eingeweiht wurde, sollte mit dem alten Zeitgeist brechen. „Kinder der Revolution“ genannt, sollten die Volkshochschulen das nötige geistige Rüstzeug an alle Bürger der nun republikanischen Ordnung vermitteln. „Demokratie braucht Bildung“ wurde zum VHS-Leitmotiv. Und: „Die an die Universität zu berufenden Professoren sind zu verpflichten, an der VHS mitzuarbeiten“, hieß es in dem Gesetz, das die SPD ausformulierte. Vor allem liberale Professoren wie Ernst Cassirer, Albrecht Mendelsson Bartholdy oder Moritz Liepmann engagierten sich für die enge Verflechtung beider Einrichtungen.

Heute herrscht an der Universität vor allem Uneinigkeit in der Frage, welcher Stellenwert dem 90. Geburtstag zukommt. „Im Wintersemester werden wir die Geburtstagsfeier ganz offiziell nachholen“, verspricht Uni-Vizepräsident Holger Fischer der taz. Wie gefeiert werde, sei noch nicht sicher.

Loki Schmidt habe die erste VHS-Geschichte geschickt, berichtet Hannelore Bastian. „Sie schrieb, dass ihre Eltern in den Gründungsjahren rege Teilnehmer waren.“ Doch auch die Volkshochschule befindet sich heute in schwieriger Lage. Die Feier am kommenden Freitag soll ein politisches Signal sein: „Zum Geburtstag wünschen wir uns natürlich auch etwas“, sagt Bastian. Nachdem die Schulbehörde ihnen vor vier Jahren ein Drittel der Mittel strich, sei man nun „mit der Arbeitskapazität am Rand unserer Ressourcen“. Spielräume für die Weiterentwicklung des Programms existierten nicht. Trotz steigender Teilnehmerzahlen auch im vergangenen Jahr.