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: USB-Stick-Requiem

Mist, aber da kann man nichts machen

Er war silbern, hatte eine abnehmbare Kappe aus Hartplastik, passte genau in die kleine Jeanstasche, mit der man sonst nichts anfangen kann, sah aus, als könne er auch als Requisit für irgendeine mittlere Generation der Star-Trek-Reihe herhalten, fasste 1 GB – und eines Morgens war er weg. K., dem der USB-Stick ein treuer Begleiter gewesen war, verfiel in die üblichen Phasen. Verwunderungsarbeit. Sucharbeit Teil 1: übliche Ablageplätze, außerdem neben der Garderobe und unterm Bett. Das-kann-doch-nicht-sein-sagen-Arbeit. Sucharbeit Teil 2: unübliche Plätze wie Sofa, Bad, unterm Küchentisch, seltsamerweise auch im Kühlschrank, dann noch mal, obwohl das ja wirklich nicht sein kann, die üblichen Plätze. Verlusteinsichtsarbeit. Trauerarbeit. Der Stick blieb verschwunden, Mist, aber da kann man nichts machen.

Zwei Jahre lang hatte K. alles, was er geschrieben hatte, auf dem Stick gespeichert und stets bei sich getragen. Als er in Hamburg einmal feststellte, dass er das Manuskript für eine Laudatio zu Hause in Berlin vergessen hatte, konnte er aus den gespeicherten Notizen wenigstens eine Notfassung herstellen. Das verbindet. In einer Runde von Literaturkritikern hatte K. den Stick einmal hochgehalten und prophezeit, bald werde es den ersten USB-Stick-Roman geben: irgendjemand findet so ein Ding und versucht sich aufgrund der enthaltenen Dateien ein Bild von seinem Inhaber zu machen – und nun könnte das mit K.s eigenem Stick so geschehen!

K. fühlte Seekrankheit auf dem Lande. Dann sah er sich den inzwischen gekauften Nachfolger-Stick an. Brav in seiner USB-Buchse steckend, fabrizierte er rhythmisch mit seinem Hinterteil ein orangenes Licht. Wie ein Glühwürmchen. Etwas beflissen, aber auch ganz rührend. Ach, wo Verlust ist, ist auch die Chance für einen Neuanfang. Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde! DIRK KNIPPHALS