: Pech gehabt!
BLUTIGE HÄKELKUNST Die zierliche Bildhauerin Patricia Waller mag keine Hunde
Mit – im wahrsten Sinne des Wortes – wollüstigen Mordfantasien macht Patricia Waller seit Jahren erfolgreich Kunst. Nach echter Hausfrauenart hat die Künstlerin das Konterfei eines kleinen Promenadenmischlings fein säuberlich aufgestickt. Doch etwas stört den heimeligen Anblick: Ein akkurat gehäkelter Pfeil durchbohrt die Stirn des Schoßhündchens. Blut verläuft in gestickten Bahnen über seine Stirn, darunter steht in Englisch „I hate my Neighbour’s Dog“.
Flauschiges Material
Die zierliche Bildhauerin besticht durch Häkelskulpturen und Stickereien, die von dem Widerspruch des flauschigen Materials mit dem biederen Image und ihren bösartigen Inhalten leben. Siamesische Teddys, ein Hase, erschlagen von einer riesigen Mohrrübe, ein kuscheliger Tiger, der noch den Rest eines menschlichen Arms im Maul trägt, sind einige ihrer Gemeinheiten.
In ihrer Ausstellung „Bad Luck“ in der Galerie Deschler fallen ihr vorwiegend Märchen- und Comicfiguren, aber auch Normalsterbliche zum Opfer. „Pech gehabt“, wenn der Blumentopf auf den Kopf fällt, Pech für Paulinchen, die allein zu Haus blieb und die Finger nicht von den Zündhölzern lassen konnte. Nur Überreste im Häkellook bleiben zurück. Besonders arg trifft es Tweety, der im Suppentopf kocht, Bambi wird vom Beil zerhackt, Miss Piggy durch den Fleischwolf gedreht.
Die Malträtierten sind in Bonbonfarben gehäkelt, hübsch anzusehen. Freude über die Gräueltaten: War nicht Miss Piggy immer schon ganz schön nervig, wer mochte Tweety? Wallers inszenierte Mordfantasien zu Bambi & Co. kann man als Attacke gegen die Infantilisierung der Gesellschaft verstehen, die das Brutale ausblendet. Dabei stellt sich mitunter die Frage, wie viele Schweine täglich tatsächlich durch den Fleischwolf gedreht werden, wie viele Hühner wirklich in der Suppe landen und Rehe zerstückelt werden.
Wohin aber mit der unbewusst aufgestauten Wut der Zivilisierten? Man kann sie über Schreckensmeldungen der Yellow Press sublimieren oder aber viel schöner: indirekt und fiktional über Kunstsprachen und dabei erfahren, dass man tatsächlich alle Märchen- und Comicfiguren der Kindheit überlebt hat.
Wer den inneren Schnuller in der Galerie Deschler abgeben möchte, sollte dies ohne seine lieben Kleinen tun, denn diese Ausstellung ist wohl, frei nach dem Motto eines Berliner Radiosenders, eher „nur für Erwachsene“. PATRICIA CASPARI
Patricia Waller: „Bad Luck“. Bis 4. Juli, Di.–Sa. 12–18 Uhr, Galerie Deschler, Auguststr. 61, Mitte
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