Die Zukunft gehört den Müttern

Mehr Frauen in Arbeit zu bringen, ist das Ziel einer neuen Kölner Initiative. Dass Mütter oft aus dem Beruf aussteigen, liegt an Betrieben und Frauen gleichermaßen, meint Mitbegründerin Marita Alami

INTERVIEW SUSANNE GANNOTT

taz: Frau Alami, warum ist die Frauenerwerbsquote in Deutschland im europäischen Vergleich so gering?

Marita Alami: Die Probleme liegen auf beiden Seiten: bei den Unternehmen wie bei den Frauen. Frauen, die ein Kind zur Welt bringen, ziehen sich auch von sich aus in die Privatsphäre zurück. In Deutschland herrscht eine tradierte Vorstellung, dass die einzige passende Bezugsperson für kleine Kinder die leibliche Mutter ist – was in den umliegenden Nachbarländern längst vorbei ist. Diese Tendenz wird in Deutschland verstärkt durch das Verhalten vieler Betriebe: Teilweise stellen sie gar keine Frauen im gebärfähigen Alter ein, weil sie damit rechnen, dass die sich aus dem Erwerbsleben zurück ziehen, sobald Nachwuchs kommt. Daher müssen wir von beiden Seiten Brücken bauen. Die Betriebe müssen den Frauen signalisieren: Ihr müsst nicht komplett aufhören. Dazu passt etwa ein Projekt wie das Kölner „Forum F“, das einen Weg aufzeigt, wie Betriebe den Kontakt zu Eltern aufrecht erhalten können, die Elternzeit nehmen.

Nur wenige Projekte der neuen Initiative sind an Betriebe gerichtet, die meisten sind Qualifizierungen für Frauen. Ist dieser Ansatz nicht zu einseitig?

Wir haben noch immer einen hohen Anteil an Berufsrückkehrerinnen, die komplett ausgestiegen waren. Damit diese Frauen wieder einen guten Einstieg finden, muss man sie begleiten und qualifizieren. Aber das NRW-Wirtschaftsministerium fordert im Rahmen seiner Initiative „Regionen fördern Frauen“ (siehe Kasten), dass auch Projekte für kleine und mittlere Unternehmen gemacht werden. Und es gibt bei der Projektgemeinschaft Pro FIT ja auch direkte Angebote an die Unternehmen.

Angeblich soll Personalmangel die Firmen geradezu zwingen, mit familienfreundlichen Angeboten die Arbeitnehmer zu ködern. Wie das? Heute nehmen Arbeitslose doch gezwungenermaßen jede Arbeit an.

Massenarbeitslosigkeit ist das Totschlagargument gegen Frauenerwerbstätigkeit und die Qualifizierung von Frauen. Aber wenn man die Statistiken genauer betrachtet, finden wir unter den Arbeitslosen gar nicht so viele sehr gut Qualifizierte. Kleinere Unternehmen haben da oft sehr genaue Vorstellungen. Und Personalauswahl ist ein riesiger Aufwand, den sich kleine Unternehmen oft gar nicht leisten können, so dass sie definitiv offene Stellen und Fachkräftemangel haben – trotz hoher Arbeitslosigkeit. Und es wäre für die kleinen und mittleren Unternehmen sehr viel effizienter, wenn sie die Frauen, die sie gut eingearbeitet haben, halten könnten.

In einem Ihrer Projekte werden Frauen, die in Offenen Ganztagsschulen als Ungelernte arbeiten, zur pädagogischen Mitarbeiterin weitergebildet. Gleichzeitig werden für die Offenen Ganztagsschulen schrittweise Horte geschlossen und gelernte Erzieherinnen entlassen. Dient das Projekt da nicht als Ausputzer einer politisch widersinnigen Entscheidung?

Ich denke, „In Via“ findet die Situation so vor, wie sie ist, nämlich dass geringfügig Beschäftigte in Offenen Ganztagsschulen eingesetzt werden – überwiegend Frauen. Und diese Qualifizierung soll dazu dienen, dass diese Frauen in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis kommen. Der Ansatz ist, den Frauen konkret weiterzuhelfen, und nicht politisch Stellung zu nehmen.