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: Klassenfahrt nach Jacksonville

Vor der Super Bowl des American Football versuchen die Philadelphia Eagles, Titelverteidiger New England ein wenig den Nerv zu rauben

Die Indianapolis Colts hatten es vor einigen Wochen vergeblich versucht, die New England Patriots mit verbalen Attacken aus der Fassung zu bringen. Sie wären wie Früchte, die reif sind, gepflückt zu werden, hatten sie getönt. Die Patriots zuckten nur kurz mit den Schultern und zerpflückten anschließend in aller Ruhe das Spiel der Colts mit ihrem hochgelobten Quarterback Peyton Manning. Was Freddie Mitchell, den Receiver der Philadelphia Eagles, nicht abhielt, es vor der Super Bowl am Sonntag in Jacksonville einfach noch mal zu probieren. Er kenne nicht einmal die Namen der Abwehrspieler der Patriots, sagte er, und machte sich besonders über Rodney Harrison lustig, einen der gefürchtetsten Rammböcke in der National Football League (NFL).

Zur allseitigen Überraschung reagierte der Titelverteidiger schwer beleidigt. Mitchell habe wohl was getrunken vor seiner Rede, sagte Harrison, und Linebacker Willie McGinest widersprach sich sehr schön selbst, als er giftig meinte: „Wir verschwenden doch unsere Zeit nicht damit, einem Typen zu antworten, der in seiner Karriere nichts erreicht hat.“ Ob sich Mitchell einen Gefallen damit getan hat, die Patriots-Spieler zu reizen, wird sich am Sonntag zeigen. Sollte Receiver Terrell Owens nach seiner Verletzung noch nicht wieder spielen können, würde die Pass-Offensive der Eagles schließlich weitgehend auf Mitchell ruhen. Owens hat allerdings am Montag wieder trainiert.

Der uncharakteristische Zorn der Patriots über die frechen Worte aus Philadelphia störten ein wenig die gelassene und entspannte Fassade, die sie sich ansonsten zugelegt haben. „Bloß ein weiteres Match“, nennt New Englands Receiver David Givens die Super Bowl, er und seine Kollegen geben sich den Anschein, als sei solch ein Spiel für sie etwas völlig Alltägliches. Ist es ja in gewisser Weise auch. Zum dritten Mal in vier Jahren steht die Mannschaft aus Boston im Endspiel des American Football, die letzten beiden Trips hat sie siegreich beendet.

Ganz anders die Philadelphia Eagles. Dreimal in Folge haben sie zuvor den Einzug in die Super Bowl knapp verpasst, gewonnen haben sie diese überhaupt noch nicht. Damit liegen sie in Philadelphia voll im Trend. In allen vier Profisportarten seit langer Zeit vertreten, durfte die Stadt zuletzt 1983 feiern, als die Basketballer der 76ers den NBA-Titel holten. Insgesamt gab es in 120 Jahren nur neun Meisterschaften, das 1883 gegründete Baseball-Team der Phillies hält sogar einen ganz besonderen Rekord: Kein Sportteam auf der Welt hat mehr Niederlagen kassiert.

Die Super Bowl erreichten die Eagles nur einmal, 1981 verloren sie 10:27 gegen Oakland. Entsprechend groß ist die Begeisterung, dass sie es endlich mal wieder geschafft haben. In Jacksonville wirken Quarterback Donovan McNabb und seine Mitspieler wie eine Schulklasse beim Disneyland-Besuch und hantieren so aufgeregt mit Camcordern und iPods, dass die New York Times spottete, bei Anpfiff hätten sie vermutlich einen vollständigen Spielfilm und den zugehörigen Soundtrack fertig gestellt. Um den Ruch der Unerfahrenheit und Unbedarftheit wenigstens ein bisschen zu dämpfen, trägt Coach Andy Reid ständig den Super-Bowl-Ring, den er 1996 als Assistent der Green Bay Packers gewonnen hat – gegen die Patriots. MATTI LIESKE