Im Norden gibt es das ja eigentlich nicht

Verkehrte Welt und wie sie ins protestantische Stammland kam: Dieter Richter, 66, ist Professor für Kulturgeschichte in Bremen und kann sich den Karneval vor allem katholisch erklären.

Fasching, Fasnacht, Karneval. Was ist eigentlich die Idee dahinter?

Dieter Richter: Ganz einfach, dass einmal im Jahr die Welt auf den Kopf gestellt wird. Dass die normalen Regeln einmal nicht gelten. Die verkehrte Welt. Der Karneval ist die verkehrte Welt.

Fasching oder Karneval. Wie soll man hier im Norden richtig dazu sagen?

Im Norden gibt es das ja eigentlich nicht. Es gibt in dieser Sache landschaftliche Unterschiede. Der Norden ist protestantisches Stammland, und man sagt, dass der Karneval in protestantischen Gebieten nicht heimisch ist. Über den Daumen gepeilt stimmt diese Einteilung auch, aber fragen sie mich nicht, warum das so ist.

Wieso also?

In katholischen Ländern spielt die traditionelle Gliederung des Kirchenjahrs eine größere Rolle als in evangelischen. Der Aschermittwoch etwa markiert einen deutlicheren Einschnitt, und die Fastenzeit, die Zeit der verkehrten Welt. Protestantische Gebiete sind säkularisierter.

Und wie kommt der Karneval in den Norden?

Im Wesentlichen über die Medienkultur. Übers Fernsehen. Dabei geht es um eine Übertragung von kulturellen Elementen, die davor hier nicht heimisch waren. Übernommen wird dabei der rheinische Karneval, und auch davon nur die spektakulärsten Formen. Nicht übernommen wird, was nicht televisiv ist. Übertragungen. So, wie der deutsche Weihnachtsbaum jetzt auch in Südostasien übernommen wird.

Der Karneval als allgemeine Homogenisierung im Brauchtum?

Ja und nein. An der Oberfläche vielleicht. Wir erleben zwar eine Homogenisierung, eine Globalisierung der Kultur. Wer aber will, wird dabei doch immer Unterschiede erkennen. Deswegen glaube ich nicht an den Begriff der Globalisierung in der Kultur. FRAGEN: tm