Das missbrauchte Gedenken

Am 13. Februar vor 60 Jahren zerstörten Bomben Dresden. Zum Gedenktag planen Nazis einen großen Aufmarsch. Nun kontert die Stadt mit einer Plakataktion, mit Vorträgen und Ausstellungen

AUS DRESDEN MICHAEL BARTSCH

Seit gestern ist an 200 Plätzen Dresdens ein Plakat zu sehen, das an die Zerstörung der Stadt am 13. Februar 1945 erinnert. Auf grauem Hintergrund sind die Namen von 12 Städten aufgeführt, die wie Dresden unter schwersten Kriegszerstörungen gelitten haben: zum Beispiel das spanische Guernica, das britische Coventry, das tschetschenische Grosny oder das irakische Bagdad. So wollen die Initiatoren die Verwüstung Dresdens in den Kontext allgemeiner menschlicher Barbarei stellen. Das Rathaus hat das Plakat in Auftrag gegeben. Über die Gestaltung und die Städtenamen sei aber in einem Vorbereitungskreis breit diskutiert worden, sagte ein Sprecher der Stadtverwaltung.

Die Plakataktion ist nur eine von vielen Aktivitäten, mit denen Bürger und Offizielle dem Missbrauch des Gedenktags begegnen wollen. Dresden ist ein Symbol, und nirgendwo in Deutschland sitzt der Schock über die Zerstörung einer Kunststadt auch nach 60 Jahren noch so tief. Doch die Erinnerungskultur wandelt sich. Zu DDR-Zeiten standen das Totengedenken und der allgemeine Wunsch nach Frieden und Gerechtigkeit im Mittelpunkt.

Die offizielle Fixierung auf die Deutschen als Tätervolk, das die Zerstörung letztlich selbst verursacht hatte, droht aber inzwischen zumindest bei einer Minderheit in einen Opferkult umzuschlagen, der nur noch die eigenen Verluste sieht. Die Diskussionen um eine Entschuldigung der Queen für die Bombenangriffe bei ihrem jüngsten Deutschlandbesuch signalisieren die Veränderung ebenso wie die jährlich wachsenden Demonstrationszüge ultrarechter Gruppen. Seit Jahren beherrschen die Aufmärsche der Jungen Landsmannschaft Ostpreußen (JLO) das Bild der Innenstadt an diesem Tag.

So auch an diesem bevorstehenden 60. Jahrestag, an dem ein „Trauerzug“ von mehreren tausend Rechtsextremisten erwartet wird. Eine parallel von der NPD geplante Demonstration auf dem Landtagsvorplatz konnte verhindert werden: Die Polizei reklamierte den Platz für Technik und Mannschaftswagen und kam so den Nationalisten zuvor. „Politisch hätten wir die NPD-Demo sonst kaum verhindern können“, räumt Landtagssprecher Ivo Klatte ein.

Bereits für den 12. Februar ruft ein „Antifaschistisches Bündnis“ zu einer Gegenkundgebung unter dem Motto „No tears for krauts! gegen den deutschen Opfermythos auf. Gemeinsam mit der Stadt hatte schon im Frühherbst des Vorjahres eine Bürgerinitiative „IG 13. Februar“ zu einem würdigen Erinnern aufgerufen. Im November beauftragte Oberbürgermeister Ingolf Roßberg (FDP) eine Historikerkommission. Sie soll recherchieren, wie viele Opfer bei dem Angriff ums Leben gekommen sind. Die Zahl ist bislang strittig. Durch ihre amtliche Bekanntmachung soll Legendenbildung entgegengewirkt werden, wie sie von rechtsradikaler Seite verstärkt betrieben wird.

Gegen eine selektive Geschichtsbetrachtung wendet sich auch ein internationales Kolloquium vom 11. bis 14.Februar, das in der neu erbauten Synagoge und der Evangelisch-Reformierten Gemeinde stattfindet.

In den nächsten Tagen bieten diverse Veranstalter zahlreiche Vorträge an. Schon vor zwei Wochen hatte der streitbare britische Historiker Frederick Taylor im Rathaussaal großes öffentliches Interesse gefunden. Zudem ist im Rathaus seit gestern eine Ausstellung über die Zerstörung der Partnerstadt Hamburg zu sehen. Es ist nicht die einzige Schau zum Thema: Heute eröffnet im Militärhistorischen Museum eine Ausstellung „Sachsen im Bombenkrieg“.

Auf eine andere Form des Gedenkens setzt der katholische Bischof Joachim Reinelt. Er hat dazu aufgerufen, am Theaterplatz 10.000 Kerzen anzuzünden – ein Brauch aus DDR-Zeiten, dem wegen des Neubaus der Frauenkirche die Adresse abhanden kam.