Ein südkoreanischer Nationalheld

Vor einem Jahr landete der Seouler Professor Hwang Woo-suk eine Sensation: Sein Team klonte erstmals menschliche Stammzellen. Seit kurzem hat Südkorea ein neues Klongesetz. Jetzt darf Hwang auch ganz offiziell weitermachen

„Klonen mit menschlichen Zellen, das werden wir hier in Südkorea machen“

AUS SEOUL MARCO KAUFFMANN

Eine koreanische Zeitung schrieb kürzlich, Professor Hwang Woo-suk erhalte mehr Personenschutz als mancher Politiker. Die Politiker wiederum umwerben ihn wie einen Star. Die südkoreanische Regierung hat ihn gar zum besten Wissenschaftler des Jahres 2004 ernannt. Und als ruchbar wurde, eine US-Universität wolle den 52-Jährigen für 866 Million Dollar abwerben, rief der Staatspräsident hastig eine Task Force ein und gab bekannt, es werde so viel Geld abgezogen, damit der Klonpionier in Südkorea finanziell abgesichert sei. Selbst das US-Magazin Time verneigte sich vor dem südkoreanischen Professor. Dort landete er auf der Liste der einflussreichsten Personen der Welt.

Man stellt sich ein auf einen VIP-Forscher mit Vorzimmer und einem ganzen Stab von Assistenten. Nichts dergleichen: Das Institut für Veterinärmedizin an der Seouler Nationaluniversität haust in einem Normbau, wie ihn sich Gemeindeschulen auf Sparkurs leisten. In einem der obersten Stockwerke das Büro von Professor Hwang. Klopfen. Hwang öffnet die Tür, lacht sein herzhaftes, unbekümmertes Lachen und greift mit beiden Händen die Besucherhand. Der Campus in einem Außenbezirk der 10-Millionen-Stadt ist großzügig angelegt, doch Hwangs Arbeitsstätte hat die Größe eines Kinderzimmers, darin Platz finden zusätzlich eine Sekretärin und zwei Sofas.

Kleine Veränderungen habe es seit Februar 2004 gegeben, sagt er mit feinem Understatement. Vor einem Jahr stellte Hwang und sein Kollege Moon Shin-yong auf dem Kongress der US-Wissenschaftsvereinigung vor, wie Ersatzzellen für Menschen gezüchtet werden können. Viele Einladungen habe er seither erhalten. Darunter auch eine, an eine amerikanische Uni zu wechseln? „Ich äußere mich nie im Detail zu Vorschlägen, die ausländische Institute gemacht haben“, entgegnet Hwang.

Bangladescher, Nepalesen und Indonesier gehören zu Hwangs Forscherteam. Im Labor nebenan sitzt eine Gruppe von zehn Leuten um einen runden Tisch, als würden sie Gemüse putzen. Doch sie entnehmen Eizellen von Kühen. Im nächsten Raum zeigt Hwangs Mitarbeiter Kang Sung-keun das technische Gerät: „Wir haben elf Mikroinjektionsapparaturen – so viele wie in keinem Labor auf der Welt.“

Was ausländische Besucher zu sehen bekommen, ist nur ein Teil der Klonfabrik. Für menschliche Zelllinien hat der Tierklonexperte Hwang ein Geheimlabor, zu dem nicht einmal alle Mitarbeiter Zutritt haben.

In der Fachwelt gilt Hwangs Klonlabor als eines der bestausgerüsteten überhaupt. Sowohl qualitativ als auch quantitativ. Zum Kern der Forschungsgruppe gehören 40 Personen, die von morgens 6 bis abends 11 Uhr arbeiten. Insgesamt aber sollen 184 Wissenschaftler involviert sein; der koreanische Staat finanziert das Projekt großzügig.

Hwangs Institut kooperiert mit Forschern in den USA, in Großbritannien, Japan und asiatischen Ländern, wobei Hwang eine klare Vorstellung hat, wo die Zusammenarbeit beginnt und wo sie aufhört. „Klonen mit menschlichen Zellen, das werden wir hier in Südkorea machen. Die Zusammenarbeit beginnt nach diesen Experimenten, beispielsweise bei klinischen Anwendungen.“

Im Januar 2005 trat in Südkorea ein Gesetz in Kraft, das die Stammzellenforschung zur Heilung von Krankheiten unter Bedingungen erlaubt – obwohl erst im vergangenen Jahr das Parlament ein Verbot für das Klonen von Menschen sowie die Stammzellenforschung für kommerzielle Zwecke beschlossen hatte. Doch Hwang wird in seiner Heimat nicht nur als Held verehrt. Kritiker werfen ihm vor, mit seinen Klonexperimenten vorgeprescht zu sein und jenseits der öffentlichen Akzeptanz zu arbeiten. Hwang äußerst sich dazu: „Vor der Bekanntgabe unserer Klonexperimente war fast die Hälfte der koreanischen Bevölkerung gegen das therapeutische Klonen. Laut neueren Umfragen sind jetzt 75 Prozent dafür.“

Hwang redet gelassen, freundlich, entspannt. Seit 18 Jahren macht der Professor täglich Atemübungen: morgens um fünf, nachdem er ein öffentliches Badehaus besucht hat. Nur einmal trübte sich seine gute Laune. Da war dieser Artikel in der Zeitschrift Nature: Eine Doktorandin von Hwang habe für die Experimente Eier gespendet und dies ihm gegenüber bestätigt, schrieb der Journalist David Cyranoski in Nature. Später habe die Studentin das zurückgenommen, angeblich wegen eines sprachlichen Missverständnisses. Der Journalist habe die Frau tatsächlich falsch verstanden, sagt Hwang. „Sie sprachen englisch, für keine der beiden die Muttersprache.“

Hwang bestreitet nicht, dass es schwierig ist, Spenderinnen zu finden. Für die Frauen kann der Eingriff körperliche und seelische Nebenwirkungen haben. „Aber es gibt immer mehr koreanische Frauen, die etwas für ihr Land und die Wissenschaft tun wollen.“ Zudem spiele die koreanische Kultur eine Rolle: „Wir haben eine Tradition, wonach ein Teil des Körpers nicht einem selbst gehört, er wurde geerbt von den Vorfahren.“ Er lacht, bedankt sich für das Interesse und verschwindet wieder.