Nur der Anfang vom Ende

FRANKREICH Seit fünf Wochen streiken die Mitarbeiter von Radio France International gegen beispiellose Stellenkürzungen – und gegen mögliche Nachahmer gleich mit

Der RFI-Konflikt ist ein Testballon für die anderen öffentlich-rechtlichen Sender in Frankreich

AUS PARIS DOROTHEA HAHN

Nichts geht mehr bei RFI. Sonst sendet Radio France International, die Pariser Variante der Deutschen Welle, für bis zu 46 Millionen HörerInnen in aller Welt Nachrichten und Analysen. Doch seit fünf Wochen ist RFI besserer Dudelfunk – die staatlich finanzierte internationale Welle wird bestreikt. Statt Berichten über die Europawahlen und den Absturz des Air-France-Airbusses läuft fast rund um die Uhr Musik.

Die Beschäftigten kämpfen gegen einen Sozialplan, der gut ein Fünftel – 206 von insgesamt rund 1.000 – Arbeitsplätzen bei RFI kosten soll. RFI soll sechs Fremdsprachenredaktionen schließen – darunter die deutsche, die polnische und die türkische. Ein Gericht in Paris hatte den Sozialplan im Mai vorläufig ausgesetzt, weil der Betriebsrat nicht genügend informiert wurde. Aber die RFI-Direktion hält am Kahlschlag fest und verkauft ihn als „Modernisierung“ und „Abbau der Schuldenlast“. Zudem seien die Sprachen geopolitisch nicht mehr von Bedeutung.

Der russischsprachige und chinesische Dienst sollen zudem nur noch im Internet stattfinden – obwohl China die RFI-Website immer wieder blockiert.

Immerhin Intendant Alain de Pouzilhac ist nun wieder im Sender aufgetaucht – allerdings auch erst, nachdem er vom Betriebsrat per „Steckbrief“ gesucht wurde. Bevor er erneut verschwand, kündigte er an, dass er den „Sozialdialog“ wieder aufnehmen wolle.

Die Stimmung bei den Vollversammlungen, die der Betriebsrat seit fünf Wochen jeden Werktag organisiert, ist gereizt, immer mehr Beschäftigte tragen rot-schwarze T-Shirts, Aufschrift: „Hier entlässt der Staat“.

Parallel zum Streik haben die Beschäftigten kürzlich eine – bislang unbeantwortete – Petition an Angela Merkel und Frankreichs Präsidenten Nicolas Sarkozy geschickt .Von außen werden sie von PolitikerInnen (darunter Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit) und Intellektuellen unterstützt.

Beim Konflikt um RFI geht es auch um die von Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy verordnete Neuorganisation der Radio- und Fernsehlandschaft Frankreichs. RFI ist dabei das erste öffentliche öffentlich-rechtliche Medienunternehmen, das nicht nur freiwillige Abgänge, sondern auch Entlassungen plant. RFI ist zu 100 Prozent vom Staatshaushalt abhängig und hat derzeit ein Defizit von 16,9 Millionen Euro – laut der Unternehmensberatung Ina, die den Betriebsrat berät, Resultat der „Unterfinanzierung“ des Senders durch die Regierung. Der Sozialplan habe daher keine wirtschaftliche Berechtigung.

Der RFI-Betriebsrat sieht den Konflikt als Testballon für die anderen öffentlich-rechtlichen Sender in Frankreich. Wenn es bei RFI klappt, so die Befürchtung, würden auch bei anderen Leute entlassen – bei France Télévision, den französischen Cousins von ARD und ZDF, sollen bereits Pläne für den Abbau von 900 Arbeitsplätzen in den Schubladen liegen.

Die beiden Programme des öffentlich-rechtlichen Fernsehens müssen seit Januar auf Geheiß Sarkozys bereits auf TV-Werbung nach 20 Uhr verzichten und sollen bis 2011 gänzlich werbefrei werden. Kritiker sahen hierin ein „Geschenk“ des Präsidenten an die französischen Privatsender, deren Besitzer teilweise zu seinen Freunden zählen.

Homepage der Streikenden: rfiriposte.wordpress.com