EU gefährdet Zugang zu preiswerten Medikamenten

WELTWIRTSCHAFT Bei Verhandlungen mit Indien über ein Freihandelsabkommen schützt die EU Interessen von Patentrechteinhabern und setzt die billige medizinische Versorgung in armen Ländern aufs Spiel

BERLIN taz | Die Entwicklungsorganisationen Oxfam und EED (Evangelischer Entwicklungsdienst) schlagen Alarm. Nach einem ihnen vorliegenden internen EU-Dokument verlangt Brüssel in den laufenden Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit Indien eine drastische Verschärfung von dessen Patentgesetzen. Dies würde laut den beiden Organisationen einseitig den Interessen der europäischen Inhaber von Patentrechten wie Pharmakonzernen und Saatgutherstellern dienen und weit über das hinausgehen, wozu sich Indien bei der Welthandelsorganisation (WTO) verpflichtet hat.

Die beiden Organisationen sehen vor allem Indiens preiswerte Herstellung von Generika, also wirkstoffgleichen Arzneimitteln von Markenprodukten, gefährdet. Indien ist einer der führenden Generikahersteller der Welt. Dies ermöglicht der indischen Bevölkerung den Zugang zu preiswerteren Arzneimitteln, die Indien auch auf Drittmärkte exportiert. Sollte sich die EU durchsetzen, „wäre die Versorgung mit Medikamenten von Millionen Menschen gefährdet“, warnt Michael Frein vom EED.

„Die EU fordert von Indien längere Patentlaufzeiten und zusätzliche Schutzfristen, bevor Generika zugelassen werden. Wenn die EU sich damit durchsetzt, kann dies für HIV-Patienten eine Vervielfachung der Medikamentenkosten bedeuten“, warnt Oliver Moldenhauer von Ärzte ohne Grenzen. Kritisiert wird auch, dass die EU ein Monopol auf Testdaten durchsetzen wolle, was die Kosten für Generika erhöhe.

Im Mai wurde eine indische Antibiotika-Lieferung am Flughafen Frankfurt vom Zoll für vier Wochen festgehalten. Sie war für die Pazifikrepublik Vanuatu bestimmt. Der Zoll hatte eine Patentrechtsverletzung vermutet und gefährdete so die Gesundheitsversorung in einem armen Staat. SVEN HANSEN