Total kontinental

Mit dem länderübergreifenden Fernsehsender „Telesur“ will Venezuelas Präsident Hugo Chávez Lateinamerika eine eigene Stimme geben

VON INGO MALCHER

Würde man Hugo Chávez einen festen Job als Fernsehmoderator anbieten, so behaupten einige, der venezolanische Präsident würde glatt von seinem Staatsamt zurücktreten. Eine eigene Show hat er jedenfalls schon. Jeden Sonntag läuft auf dem staatlichen Kanal „Venezolana de Televisión“ (VTV) seine Talk-Sendung „Aló Presidente“. Die Sendung hat eine eigenwillige Dramaturgie: Der Präsident spricht, ungefähr vier Stunden am Stück, die Studiogäste schweigen.

Chávez’ Verhältnis zu den Medien ist vertrackt. Die venezolanischen Privatsender riefen zu seinem Sturz auf – die internationalen Networks behandeln den Exzentriker kaum besser. Und so kam der Präsident auf eine Idee: Es fehle ein Lateinamerika-weiter Fernsehsender, der die „Nachrichtendiktatur“ (Chávez) von CNN durchbreche. Vor einigen Monaten hat er daher die Gründung des Senders „Telesur“ dekretiert und am Dienstag in der argentinischen Regierung den ersten Partner dafür gefunden. Die Argentinier kauften 20 Prozent der Anteile von „Telesur“.

Ein Anfang für den Lateinamerika-Kanal, der nach Chávez „eine echte Vision der kulturellen Vielfalt Lateinamerikas und der Karibik“ entfalten soll, ist also gemacht. Und in der Tat könnte es für einen solchen Sender einen Markt geben. Bislang versorgt allein der spanischsprachige Ableger von CNN den Kontinent mit Nachrichten aus den jeweiligen Ländern.

Ein eigener Kanal, produziert und finanziert von Lateinamerikanern – von solch einem Projekt versucht der argentinische Filmemacher Pino Solanas schon seit 20 Jahren die Regierungen der Region zu begeistern. „Es ist eine Schande, dass wir CNN sehen müssen, um uns kennen zu lernen“, meckert Solanas, der vor einem Jahr auch bei Chávez vorstellig wurde und offene Türen einrannte. Neben Argentinien will Chávez auch Brasilien für den gemeinsamen Sender mit ins Boot holen. Auch in Uruguay und Paraguay wurde er vorstellig. Die Anschubfinanzierung in Höhe von 3 Millionen Dollar hat die venezolanische Regierung übernommen. In Venezuela sind auch die Büros von „Telesur“ untergebracht. Im vierten Stock eines Anbaus der staatlichen VTV-Zentrale ist Platz für drei Studios, ein Sendezentrum und einen Redaktionsraum. Die Redakteure von „Telesur“ sollen aus allen Ländern des Kontinents kommen, damit sie die Lage in den jeweiligen Ländern besser einschätzen können.

Wenn alles glatt geht, will Chávez schon im März oder April mit „Telesur“ auf Sendung gehen. Den Schwerpunkt bilden die Nachrichten, daneben sollen Dokumentarfilme und lateinamerikanisches Kino gezeigt werden, aber auch Unterhaltungsformate sind geplant. Über dem Programmkonzept steht ein Solana-Zitat: „Das Fernsehen muss der Spiegel unserer Völker sein.“

Doch die tun sich noch etwas schwer mit der Zusammenarbeit in Sachen Fernsehen. Möglich, dass Argentinien bei „Telesur“ nur als Zulieferer von Programmen aus den Archiven des staatlichen Senders „Canal 7“ teilnimmt – und den will schon in Argentinien keiner sehen. „Telesur“ kann nur erfolgreich werden, wenn seine Macher zusätzlich eigenständige Formate erfinden – und das ist sehr teuer.

Richtig kompliziert wird es darüber hinaus beim Sport: Die Venezolaner etwa interessieren sich vor allem für Baseball und kaum für Fußball. In Argentinien und Brasilien hingegen ist Fußball eine Religion. Kleinster gemeinsamer Nenner ist kontinentweit sicherlich die Telenovela. Doch die erfolgreichen Staffeln werden privat produziert – die Telenovela des staatlichen argentinischen Senders „Los Roldán“ floppte selbst im eigenen Land.