Kampf gegen die Macht der inhaftierten Drogenbosse

Mexikos Regierung erklärt den Drogenkartellen den Krieg, doch Washington ist vom Vorgehen des südlichen Nachbarn nicht überzeugt

MEXIKO-STADT taz ■ Die mexikanische Regierung hat den Drogenbaronen hinter Gittern den Kampf angesagt. Spezialeinheiten von Armee und Polizei besetzten in letzter Zeit mehrere Hochsicherheitsgefängnisse, verlegten Drogenbosse in andere Haftanstalten und überprüften Gefängnisbeamte. Die Drogenkartelle reagierten schnell: Nahe einer Haftanstalt im nördlichen Matamoros wurden sechs Wärter ermordet. „Dies ist ein Versuch, den Staat herauszufordern, eine Reaktion auf die Entschlossenheit, mit der wir das organisierte Verbrechen bekämpfen“, erklärte Präsident Vicente Fox.

Die Gewalt eskalierte am 31. Dezember. Da wurde im Hochsicherheitsgefängnis La Palma einer der wichtigsten Personen des mexikanischen Drogengeschäfts ermordet. Er war offenbar Opfer eines Kriegs verschiedener Kartelle. Schon zuvor gab es keinen Zweifel, dass die Haftanstalt nahe Mexiko-Stadt fest in der Hand der „Narcos“ war. Nachdem die Führer des Golf-Kartells, Osiel Cárdenas Guillén, und des Kartells von Tijuana, Benjamín Arellano, in La Palma inhaftiert wurden, zogen ihre Clans ins nahe Toluca-Tal, um die Geschäfte zu organisieren.

Bei den jüngsten Durchsuchungen fanden die Beamten große Mengen Waffen, Handys sowie ein Videoband. Darauf ist der Gefängnisdirektor Guillermo Montoya zu sehen, wie er außerhalb der Anstalt mit prominenten Drogenhändlern spricht. Cárdenas und Arellano hätten quasi „auf Befehlsebene“ die Führung in La Palma übernommen, erklärte ein Regierungssprecher. Montoya wurde entlassen, gegen ihn wird wegen seiner Mafiakontakte ermittelt. Die Nationale Menschenrechtskommission informierte indes darüber, dass in mindestens 13 Gefängnissen Mexikos „autonome Regierungen“ einflussreicher Gefangener herrschten.

Wie ernst es die Behörden mit ihrem Kampf gegen die Drogenmafia meinen, bleibt abzuwarten. Zu eng sind die Bande zwischen Militär, Polizei, Politik und „Narcobusiness“. Schon mancher Einsatz von Sicherheitskräften entpuppte sich als Unterstützung einer konkurrierenden Banden gegen eine andere. Doch will die Regierung seit dem Mord in La Palma Entschlossenheit demonstrieren. Bis zu 700 Soldaten und Polizisten in schusssicheren Westen und unterstützt durch Panzer ließ man auffahren, um die Gefängnisse unter Kontrolle zu bekommen. Dann stürmten sieben Hundertschaften die Anstalt Puente Grande im Bundesstaat Jalisco. Zwei Drogenbosse sollten in einen anderen Knast verlegt und ihnen so ihre administrative Basis entzogen werden. Zugleich wurde der „historische Führer“ des Juarez-Kartells, José Alvarez Tostado, in Mexiko-Stadt verhaftet.

Trotz der demonstrativen Härte führte die Eskalation zu diplomatischen Querelen mit den USA. US-Botschafter Tony Garza warf Mexiko „Unfähigkeit“ im Kampf gegen die Drogenmafia vor. Die US-Regierung warnte ihre Bürger vor einer Mexikoreise. Kriminelle hätten ein „Machtvakuum“ geschaffen, und Mexikos Justizsystem sei „schwach und ineffektiv“.

Mexiko reagierte ungewohnt scharf. Die Vorwürfe „reflektierten in keiner Weise die Situation im Land“, erklärte der sonst US-treue Fox. Innenminister Santiago Creel verwies auf die Gewalt gegen mexikanische Migranten sowie die steigende Drogennachfrage in den USA. Allein 352 Tonnen Kokain werden dort laut US-Drogenkontrollbehörde jährlich konsumiert, etwa drei Viertel davon gelangt über Zentralamerika und Mexiko in die USA.

Schärfere US-Kritiker vermuten hinter Washingtons Vorwürfen eine neue, aggressivere Linie. Gefährdete US-Bürger, schlechte Sicherheit, unkontrollierter Drogenhandel – diese Begriffe „erinnern unausweichlich an Kolumbien, wo die USA ihre permanente militärische Präsenz mit dem Vorwand der Drogenbekämpfung rechtfertigen“, schreibt Mexikos linke Tageszeitung La Jornada. WOLF-DIETER VOGEL