Ein bockiger Buddha

Rostocks Trainer Jörg Berger fühlt sich beim 2:2 gegen Schalke benachteiligt, Kollege Rangnick hat nix bemerkt

ROSTOCK taz ■ Anstatt sich in den Armen lagen die Spieler des FC Hansa Rostock nach dem Schlusspfiff am Boden. Stürmer Magnus Arvidsson schien sich am liebsten wie ein Regenwurm kopfwärts unter den eigenen Strafraum verkriechen zu wollen. Wütende „Schieberkönig DFB“-Rufe dröhnten von den Rängen, und Schiedsrichter Dr. Helmut Fleischer bahnte sich den Weg durch eine Traube wild gestikulierender Hansa-Spieler. Selbst Rostocks gemütlicher Co-Trainer Perry Bräutigam verwandelte sich vor Dr. Fleischer in Erzgebirger Dynamit, weil dieser die Partie erst nach 92 Minuten und 19 Sekunden abpfiff.

Zwei Minuten Nachspielzeit waren angezeigt worden, danach stand es noch 2:1 für die Hausherren. Es wäre Rostocks erster Heimsieg in dieser Saison gewesen. Nach 19 Sekunden Nach-Nachspielzeit stand es 2:2, weil Rostock beim letzten Freistoß des Spiels die Schalker Hanke und Ailton unbehelligt ließ. Dr. Fleischer sagte: „Das vorausgegangene Foul war innerhalb der zwei Minuten Nachspielzeit, deshalb wurde der Freistoß nach Ablauf noch ausgeführt.“ Überzeugen konnte das nicht jeden.

David Rasmussen zeigte sich fassungslos. Dreimal hatte er in der Nachspielzeit gefragt: wie lange noch? Dreimal bekam er als Antwort: noch eine Minute. „Ich hatte das Gefühl, wir haben zehn Minuten nachgespielt“, sagte Rasmussen. Es waren 19 Sekunden, aber die machten für Hansa den Unterschied zwischen Aufbruch und Einpacken aus. Als Erster berappelte sich Rostocks neuer Edelakteur Jari Litmanen und hievte seine darniederliegenden Kollegen zurück in den aufrechten Gang. „Es sind gute Spieler“, sagte der leise Star nach seinem gelungenen Debüt im Hansa-Hemd. Es klang ehrlich. „Eine Mission“, nannte der Champions-League-Sieger sein Engagement beim Tabellenletzten der Bundesliga. Es wird wohl eine Mission impossible. Er wusste auch, dass es über Schiedsrichterentscheidungen nichts zu diskutieren gibt. „Es gibt da kein richtig oder falsch, es gibt nur einen, der entscheidet, und das ist der Referee.“ Die Leute wussten, was er meinte.

Gästetrainer Ralf Rangnick deutete auf der Pressekonferenz „die merkwürdige Situation, dass beide Mannschaften nach Spielende nicht zufrieden waren“. Schalke liegt nach diesem mäßigen Auswärtsauftritt drei Punkte hinter den Bayern, konnte mit dem Punkt in nachletzter Sekunde aber zufriedener sein, als Rostock. Eine spielentscheidende Tat des Schiedsrichters war Rangnick „nicht aufgefallen“, was höhnisches Gelächter im Presseraum auslöste.

Die Hansa-Führung schnaubte vor Wut. Nachdem Hansa schon in der vergangenen Woche in Bremen (2:3) ein glasklarer Handelfmeter nicht zugesprochen wurde, wittern die Verantwortlichen im Osten nun ein Komplott. „Wenn man uns in der ersten Liga nicht haben will, dann soll man uns das deutlich sagen“, mokierte sich Vorstandschef Manfred Wimmer. „Ich möchte nicht wissen, wie sich heute hier ein Uli Hoeneß verhalten hätte, wäre den Bayern so eine Entscheidung widerfahren.“ Aber mit Hansa kann man es ja machen, so der Tenor.

Bereits in der Hinrunde musste man in Berlin einen Sieg in einer ausufernden Nachspielzeit noch abgeben. Gegen Hannover kassierte Rostock ein offensichtliches Handtor und 96-Torhüter Enke konnte unbeschadet Hansa-Stürmer Di Salvo ins Krankenhaus befördern. Schiedsrichter war Jürgen Jansen. Von Betrug wollte aber keiner wirklich reden. „Nicht in der derzeitigen sensiblen Situation“, wie es Trainer Jörg Berger formulierte.

Auf der Pressekonferenz saß er wie ein bockiger Buddha. Er hatte eigentlich alles richtig gemacht. Seine beiden Joker Prica (66.) und Arvidsson (73.) kippten die Schalker Führung durch Ebbe Sand (25.). Leider konnte oder wollte aber sein dritter Einwechsler Rydlewicz in der 93. Minute Ailton nicht folgen. Berger fühlte sich „benachteiligt“ und machte sich Gedanken, ob er „vielleicht beim falschen Verein“ sei. „Anscheinend haben wir keine Lobby“, war die Erklärung Bergers, der zudem noch seinen Stürmer Allbäck in der 85. Minute nach einer Tätlichkeit verlor. „Es wird aber trotzdem weitergehen“, versprach der Hansa-Coach. Allerdings wohl direkt in die zweite Liga. DIRK BÖTTCHER