FUSSBALL: UNTER DER SPITZE FEHLT DER EISBERG
: Ein zweitklassiger Skandal

Das soll jetzt tatsächlich alles gewesen sein? Kein schurkischer Pfiff, der Meisterschaften oder Bundesliga-Abstiege entschied? Kein in schummrigen Wettbüros ausgekungeltes Pokalfinale? Bloß diese Hand voll Spiele des Schiedsrichters Hoyzer? Dazu noch ein paar Geldübergaben, wie sie einst sogar Peter Graf, Vater der Tennisspielerin Steffi, spektakulärer hingekriegt hatte? Und wenn es ganz dick kommt, vielleicht, ganz vielleicht, ein Match der ersten Liga, wenn auch nur Kaiserslautern gegen Freiburg, also fast schon wieder zweite Liga? Dazu ein kroatischer Kneipier und seine zwei Brüder. Man muss schon sagen, der deutsche Fußball hat verdammtes Glück gehabt.

Gemessen am internationalen Standard solcher Affären – in die anderswo Vereinspräsidenten, Spitzenklubs, Nationalspieler verwickelt sind – hätte der Weckruf aus der Arglosigkeit kaum glimpflicher ausfallen können. Allein die Schauplätze des Verbrechens könnten aus einem Drehbuch von „Polizeiruf 110“ stammen: Paderborn, Ahlen, Wuppertal, Unterhaching, Betzenberg …

Aber vielleicht kommt das dicke Ende ja noch. Im Moment sieht es allerdings eher so aus, als wäre die viel beschworene Spitze des Eisbergs doch schon der vollständige Trumm gewesen. Verfrüht all die Untergangsszenarien und Abgesänge auf den hiesigen Fußball, die vor allem dem immer häufiger zu beobachtenden Stilmittel der vorauseilenden Sensation geschuldet waren: Kommentiert wird nicht, was ist, sondern was sein könnte.

Peinlich ist die Sache natürlich allemal, vor allem für den total überforderten Deutschen Fußball-Bund (DFB). So peinlich, dass nun sogar Sportbund-Chef Manfred von Richthofen in den gewaltigen Chor derjenigen einstimmt, die den Rücktritt von DFB-Präsident Mayer-Vorfelder fordern. Der Ruf des deutschen Fußballs als Leuchtturm der Reinheit in einem Meer von Korruption ist dahin. Trotzdem führt angesichts der Erfahrungen in anderen Ländern kein Weg an der ernüchternden Erkenntnis vorbei: Nicht nur der deutsche Fußball ist international zweitklassig, seine Skandale sind es auch. MATTI LIESKE