US-Geheimdienst gewährt Akteneinsicht

Auf Druck des Kongresses will der CIA Dokumente über seine Zusammenarbeit mit Ex-Nazis nach dem Zweiten Weltkrieg der Öffentlichkeit zugänglich machen. Beobachter sprechen von einem „bedeutenden Durchbruch“

WASHINGTON taz ■ Der US-Geheimdienst CIA hat der Offenlegung von möglicherweise brisanten Dokumenten zugestimmt, die Aufschluss über jede Form der Zusammenarbeit der Amerikaner mit Nazis nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges geben könnten. Auf Druck des Kongresses räumte der Geheimdienst ein, dass die Akten ehemaliger Nazis, denen keine unmittelbaren Kriegsverbrechen vorgeworfen werden, ebenfalls unter ein im Jahre 1998 verabschiedetes Gesetz fallen. Dieses legte fest, dass „alle bislang geheimen Dokumente in den USA über Nazi-Kriegsverbrecher ausfindig und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollen.“

Die breitere Auslegung des Gesetzes wurde von Kongressabgeordneten jahrelang gefordert und nun als „bedeutender Durchbruch“ begrüßt. Sie könnte einen mehrjährigen Streit zwischen einer parlamentarischen Arbeitsgruppe, die die Umsetzung des Gesetzes kontrollieren sollte, und dem CIA beenden. Senatoren hatten anderenfalls gedroht, CIA-Direktor Porter Goss noch diese Woche zu einer öffentlichen Anhörung in den Kongress vorzuladen.

Bislang hatte sich der Geheimdienst geweigert, auch solche Dokumente über Nazis freizugeben, denen zwar keine Kriegsverbrechen zur Last gelegt werden konnten, die aber nach Kriegsende möglicherweise mit den USA zusammengearbeitet hatten. Die Akten umfassen Geheimdienstkreisen zufolge hunderttausende Seiten, darunter Material über Vereinbarungen des CIA mit früheren Mitgliedern der SS und NSDAP, die im Auftrag der USA unter anderem als Spione in der ehemaligen Sowjetunion eingesetzt waren.

Aus den Dokumenten geht nach Berichten der New York Times und anderer US-Medien eine weitaus engere Verbindung zwischen der amerikanischen Regierung und Nazi-Kriegsverbrechern hervor als bislang angenommen. Dazu habe die Anwerbung von verdächtigen Kriegsverbrechern und Nazi-Kollaborateuren durch den CIA gehört. Zudem wurde ehemaligen Nazis erlaubt, in den USA Unterschlupf zu finden.

So enthüllten Historiker, die bislang freigegebene Akten studierten, dass wenigstens fünf Mitarbeiter von Adolf Eichmann, Hitlers Architekt der Judenvernichtung, später für den CIA arbeiteten. Das prominenteste Beispiel für einen Nazi, dem Amerika Asyl gewährte, war der Wissenschaftler Wernher von Braun. Dieser entwickelte im Krieg die V-2-Rakete und war nach 1945 maßgeblich am Aufbau des US-Raumfahrtprogramms beteiligt.

MICHAEL STRECK