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Keine Landschaft für John Wayne

VERDAMMTE HELDEN Wie muss der Held beschaffen sein, von dessen Tugenden wir lernen können, fragte eine Tagung des Einstein Forums Potsdam

Helden gibt es nur im Sozialen, auf einer einsamen Insel wird man kein Held

Vielleicht war es etwas voreilig, mit den Opfergeschichten der Moderne, wie sie Frantz Fanon und Elie Wiesel zum Sprechen gebracht haben, auch die Figur des Helden zu verdammen. Vielleicht kann man den Helden retten, wenn man ihn in eine kompliziertere Wahrheit verwickelt, als sie etwas die Geschichte der erfolglosen Hitlerattentäter um Graf Stauffenberg vermittelt.

Während Stauffenberg „nur“ für die einfache Wahrheit steht, dass der Mord am Tyrannen unter Einsatz des eigenen Lebens namhaften Nachruhm mit sich bringen kann, der sich in langer Verehrung ausspricht, vermittelten die Frauen der Rosenstraße, die es durch Streik auf offener Straße im Berlin des Dritten Reichs geschafft haben, ihre jüdischen Männer aus der Haft zu holen, ein komplexeres Bild von heldenhaftem Widerstand. Das sagte Susan Neiman am Donnerstag vergangener Woche zur Eröffnung der internationalen Konferenz „Verdammte Helden/Heroism Reconsidered“ in Berlin.

Neiman, Direktorin des Potsdamer Einstein Forums, sieht aktuell eine Verschiebung in der Verehrungsstruktur, während man früher für seine Taten geehrt wurde, wird man heute für das, was man erlitten hat, anerkannt. Als US-Amerikanerin wird Neiman allerdings mit einem anderen Mythos vom Helden sozialisiert worden sein, als wir hierzulande. John Wayne riecht nämlich schon das Unrecht, das in dem kleinen Westernstädtchen herrscht, auf das er gerade zureitet, bevor das Kaff überhaupt hinter Präriegras und Hügeln sichtbar wird. Wayne und seinesgleichen fackeln da nicht lange. Sie beseitigen das Übel auf eigene Faust, und wenn die Ordnung wiederhergestellt ist, reiten sie weiter nach Westen, dem Sonnenuntergang entgegen.

Damit schaffen sich die amerikanischen Helden nach der Wiederherstellung der Ordnung in gewisser Weise selbst ab. Die zurückbleibenden Bürger des Städtchens müssen den hochenergetischen Übereifer der Westerner nicht in Familienleben und Ackerbau kanalisieren.

Das ist eine Heldenkonstellation, der hierzulande nicht nur die Weiten der nordamerikanischen Landschaft fehlen, sondern entschieden auch das historische Personal. Django ist unpeinlich nur in Amerika denkbar. Dass Neiman ein Gespür für den Widerspruch zwischen Kansas City und Berlin hat, brachte sie mit der Einladung von Jan Philipp Reemtsma für den Eröffnungsvortrag zum Ausdruck.

Reemtsma, dessen Thema Helden eigentlich nicht sind, ließ sich von der Gruppendynamik der Konferenz anstecken und ist also ruhig und klaglos wie John Wayne auf das Thema losgeritten. In allem Neimans Versuch, den Helden für Gesellschaft und Pädagogik zu retten, widersprechend, begann er auf sicherem Terrain. „Aber jetz kam er, unverkennbar ER, DER HELD: Alabama-Dillert!“, heißt es bei Arno Schmidt, mit dem Reemtsma sein Heldenepos begann. Alabama-Dillert – „he Takes his Whisky strong“, schießt wie der bare Teufel – ist ein Kenner der Deutschen. Im Zweiten Weltkrieg hat Dillert deutsche Panzer abgefangen und nach Ende des Krieges jeden Deutschen „die Kehre“ machen lassen, was bei Schmidt nur ein anderes Wort für „silent killing“, also stilles Töten, ist. In Schmidts Episode um den famosen Helden Alabama-Dillert finden sich alle Universalien zusammen, die Reemtsma dem Helden zuschreibt. Helden, das ist seine zentrale These, repräsentieren Tugenden, die Allgemeingültigkeit beanspruchen können, in extrem gesteigerter Form.

Das heißt, Helden gibt es nur im Sozialen, auf einer einsamen Insel wird man kein Held. Helden sind immer auch Produkte der Gesellschaften, in denen sie agieren, das erklärt die Ambivalenz des Helden. Ussama Bin Laden ist den einen ein gedungener Mörder, den anderen eben ein Held. Woher aber kommt die Energie, die John Lennon, Schiller, Wesley Autrey, Nietzsche, den Klinikchef Dr. Heilmann und Jan Philipp Reemtsma selbst zu heldenhaften Taten drängt? Aus einer tiefen Kränkung, die einen überschwelligen Narzissmus bedingt und dessen Ursachen John Lennon besingt: „Mamma don’t go. Papa come home.“ Nach Reemtsma gibt es beim Helden also nichts zum pädagogisch Guten retten, vielleicht besteht aber die Chance, unsere narzisstischen Bedürfnisse zivilisatorisch umzuleiten auf anderes als große Taten. CORD RIECHELMANN

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