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Nordkoreas Camp-Welt

Nur einen Steinwurf vom Potsdamer Platz entfernt liegt in Berlin an der U-Bahnstation Mohrenstraße ein sechsstöckiger Waschbetonkasten, eines dieser früher mal absolut modernen Bauten, die heute nur noch grau aussehen. Das ist das Botschaftsgebäude der jüngsten Atommacht dieser Erde; und während an den Kiosken alle Zeitungen mit den nordkoreanischen Atombomben aufmachen, ist hier in der Glinkastraße vor allem erst mal ein schöner sonniger Freitagvormittag. Kein Mensch zu sehen, wie so oft in der wie stets verschlossen wirkenden Botschaft, und die Vögel haben Muße, in der derzeit blattlosen Hecke zu zwitschern, die das Haus zum Nachbargebäude hin abgrenzt. Zur Straße hin gibt es einen großen grauen Zaun.

In Szenekreisen hat sich das Haus einen gewissen Ruf als Insidertipp erworben, und das liegt vor allem an dem Bildschaukasten, der vorne gleich neben dem (verschlossenen) Eingang steht. Die Fotos, die darin ausgehängt sind, kontrastieren immens mit dem grauen, traurigen Eindruck, den das übrige Anwesen ausstrahlt. Kim Jong Il ist etwa inmitten blühenden Getreides zu sehen; „bei seiner Anleitung der Landwirtschaft vor Ort“, wie der Bildtext informiert. Auf einem anderen Bild sieht man den „Führer des sozialistischen Aufbaus Koreas“ (offizieller Titel) im Schnee, „während seines Besuches einer Panzer-Infanteriekompanie, deren Angehörige in Übung sind“. Außerdem sieht man ihn grüßend bei Paraden und – in seiner Eigenschaft als „Vorsitzender des Verteidigungskomitees der KDVR“ – beim Handshake mit Putin. Die Fotos vermitteln im Ganzen den Eindruck einer freundlichen Militärdiktatur, so wie sie ein antikommunistischer James-Bond-Film auch nicht anders zeichnen würde, mit einem unverhofft schrägen Staatsschauspieler an der Spitze. „So bricht in Korea ein neues Zeitalter des grandiosen Schaffens und Gedeihens an“, meint dazu an zentraler Stelle ein Einführungstext. Das hättet ihr wohl gern, denkt man sich kichernd dazu.

Zwei Dinge fallen besonders auf: Kim Jong Ils Brillen, die dem Mann etwas Heino-artiges verleihen, groß und getönt, wie sie sind. Und die absolute Abwesenheit von Ironie in der Bildsprache; die deutschsprachigen Propagandaoffiziere scheinen noch nicht einmal zu wissen, dass es so etwas wie Ironie überhaupt gibt. Sehr hübsch, das alles. Nur die Atombomben passen nicht recht ins Bild. In dieser unfreiwilligen Camp-Welt, in die man diesen Glaskasten als medienversierter Westler natürlich sofort übersetzt, wirken sie so verdammt real. DIRK KNIPPHALS

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