MATTHIAS URBACH über DER PERFEKTE KAUF
: Liebe gibt es nicht im Sonderangebot

Elternzeit ist anstrengend und teuer – lohnt sich am Ende die Investition in die Liebe der Kinder?

„Raus aus dem Bett! Deine Tochter schreit!“, rüde rüttelt meine Frau an mir. Vorgestern lud sie mich noch feierlich zum Essen ein, weil ich meinen letzten Tag im Büro hatte. Heute früh gilt nur noch das Recht des Stärkeren: „Aufstehen!“ Ihre Mutterinstinkte sind mit einem Mal abgeschaltet. „Ich brauch den Schlaf – schließlich schaffe ich jetzt das Geld ran“, zischt sie und zieht sich die Decke über den Kopf. Vom Nachttisch starren mich stumm drei rote Ziffern an: „4:47“. Fluchend wälze ich mich aus dem Bett. Willkommen in der Elternzeit!

Während ich im Kinderbett unter meiner schreienden Tochter nach ihrem verlorenen Schnuller taste, wird mir klar, dass ich dieses Mal – anders als bei den üblichen Investitionen – nicht sorgsam das Für und Wider abgewogen habe. Dabei ist das eine Jahr Elternzeit der teuerste Kauf meines Lebens: Mein Verdienstausfall liegt bei rund 23.000 Euro netto. Immerhin mindert der Staat per Ehegattensplitting unser Loch in der Familienkasse um rund 8.000 Euro, auch käme der Kinderladen teuerer, müssten wir ihn ganztags buchen. Doch bleibt eine Lücke von gut 14.000 Euro. Wir werden wohl ein wenig Schulden machen für dieses zweite Elternjahr.

In Männerrunden bin ich ein bestaunter Exot. Väter, die meinen, die Familie könne auf ihr Gehalt nicht verzichten, rufen anerkennend „bewundernswert“. Andere bekennen, es „auch gerne machen zu wollen“, wenn nur ihr Chef es zuließe. Sie wissen nicht, wovon sie reden.

In schlechten Nächten darf ich mich von stündlichen Heulattacken oder Tritten ins Gesicht wecken lassen. Das ruhige Schlafsofa im Wohnzimmer ist dann für meine Bürofrau reserviert. Die meiste Arbeit bleibt ohne sichtbaren Effekt: Es fällt bloß auf, wenn ich mal nicht rechtzeitig mit dem Essen fertig bin. Die Frauen in meinem Bekanntenkreis wissen das und kürzen ihre Elternzeit auf ein mickriges halbes Jahr – eine charterte gar nach vier Monaten schon ein Kindermädchen.

Während wir Männer von klein auf gedrillt werden, die Leistungen von Muttis und Hausfrauen permanent zu loben, haben die Frauen definitiv kein Gespür für das Anerkennungsdefizit eines Hausmannes. Meine Liebste kommt abends mit Bestätigung angefüllt nach Hause und reklamiert ihren Feierabend. Schwiegermutti ist natürlich stolz auf sie, wie sie „Beruf und Kinder unter einen Hut bringt“. Mich dagegen fragte sie neulich auf einer Familienfeier quer durch den Raum: „Ich habe immer noch nicht verstanden, was du da während dieser Elternzeit eigentlich machst? Die Kinder sind doch sowieso im Kinderladen!“

Spätestens nach acht Wochen werde ich mich dabei ertappen, wie ich hypnotisiert auf die Tickermeldungen starre, die auf n-tv unten am Bildschirmrand an mir vorbeiziehen – Erinnerungen an große Politik. Mein Kosmos ist längst geschrumpft auf Kinderarzt, Kinderladen, Bioladen. Mit den Spielplatzmuttis kann man nicht mal über Fußball plaudern. Und wenn die Männer spätnachmittags nach dem Büro dazukommen, starren die einen nur misstrauisch an – als hätte ich meine Kinder bloß dabei, um leichter an ihre Frauen ranzukommen.

Alles erlebt bei meiner ersten Elternzeit.

Meine schreiende Tochter will sich trotz Schnuller und Streicheln an der Schläfe nicht beruhigen, also nehme ich sie hoch. Sie schmiegt ihren Kopf an meine Brust und stößt ein kleines Stakkato von Seufzern aus. Dann saugt sie noch einmal schmatzend an ihrem Schnuller, bis sie mit einem tiefen Seufzer zur Ruhe kommt. Ein Bett weiter schlummert friedlich mein Sohn. Welch ein Bild!

Morgen, wenn meine Liebste ihre Post sortiert, schauen wir uns die Roboter im Museum für Kommunikation an. Und am Mittwoch werden wir dann seinen Geburtstag in Ritterrüstungen feiern, während meine Frau im x-ten Meeting schmort. Und den Sommer verbringe ich am See und sehe meinen Kindern beim Wachsen zu. Endlich Elternzeit.

Fazit: Dieses Jahr komme ich ohne weitere Kolumnen aus.

Fragen zur Elternzeit? kolumne@taz.de MORGEN: Jenni Zylka über PEST & CHOLERA