Ein brauner Marsch Richtung Berlin

Der NPD-Auftritt in Dresden wurde zur Schau deutscher Nationalkomplexe. Die rechte Spitze von Apfel bis Frey präsentierte sich geschlossen

DRESDEN taz ■ „Euch werden wir morgen in Grund und Boden stampfen!“ So der Kommentar zweier Zugereister in bajuwarischer Tracht zum Antifa-Aufmarsch am Sonnabend. Warmlaufen auf beiden Seiten für den demagogisch so genannten „Trauermarsch“ der „Nationalen Opposition“ am Sonntag. Die 500 Antifa-Anhänger vor dem Kulturpalast boten aber nicht nur für die Pseudo-Patrioten eine plumpe Zielscheibe. Wenn ältere Dresdner Transparente mit der Aufschrift „Opi war ein Nazi“ sahen, wenn sie aus Lautsprechern von einem Tag der Freude hörten und über die Notwendigkeit des Bombardements zum Sieg über die Nazis, reagierten sie empört.

Der Flaggenmix vom US-Sternenbanner über israelische und britische bis hin zur schnell wieder eingerollten FDJ-Fahne verwirrte. „Deutsche Täter sind keine Opfer“, so einfach kann man es sich machen. Die Adressaten des Antifa-Umzuges am Tag vor der braunen Präsentation aber ließen sich nicht blicken. Disziplin ist angesagt beim „Nationalen Widerstand“. „Kein Vergeben, kein Vergessen!“, so steht es auf den schwarzen Luftballons, die immer wieder gen Himmel steigen.

Organisator Alexander Kleber von der Jungen Landsmannschaft Ostpreußen versteigt sich gegenüber einem britischen Kamerateam zwar und sagt, es handele sich auch um eine Demonstration der Völkerverständigung. Das Wort steht aber so verkehrt da wie die von der zivilen Trauerkundgebung teilweise übernommenen weißen Rosen. Die Bühne steht an der Busnische des Landtagsvorplatzes, also praktisch am Landtagsgebäude. Vier Kreuze mit den Namen Dresden, Hiroshima, Vietnam und Bagdad werden präsentiert. Auf „ihrem“ Gebiet hat die Landtagsverwaltung den ersten Satz aus dem Grundgesetz angebracht: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Von der nahen Semperoper ist ein Pfeifkonzert linker Gruppen zu hören, das später auch den Zug begleitet. Ansonsten aber nur schweigende, schwer ansprechbare Zuschauer.

„Am gefährlichsten ist die schweigende Mehrheit“, hatte beim Treff der Zeitzeugen am Sonnabend die Theresienstadt-Überlebende Pragerin Michaela Midlakova gesagt. In der Demonstration aber befinden sich nicht nur schweigende Dresdner. Drei betagte BürgerInnen geben sofort Auskunft: „Wir finden uns im offiziellen Gedenken der Stadt nicht mehr wieder, seit in den letzten Jahren die Dresdner Opfer zu Tätern gemacht werden.“

Man will über seine Toten trauern, denn Dresden habe mit Auschwitz und der Frage der Kriegsschuld überhaupt nichts zu tun. Und auch diese deutsche Kriegsschuld wird in Frage gestellt, denn man müsse ja nach der Vorgeschichte und nicht nur nach dem ersten Schuss fragen. Alexander Kleber will „die Legende vom deutschen Tätervolk als Siegerkult entlarven“. Als Kronzeuge wird immer wieder der Historiker Jörg Friedrich bemüht, der in seinem Buch „Der Brand“ auf deutsche Opfer hingewiesen habe. Und warum solle man nicht vom „Bombenholocaust“ sprechen dürfen, wenn der katholische Kardinal Meisner vom „Abtreibungsholocaust“ rede? Ein heiserer Franz Schönhuber spricht vom Dresdner Völkermord, landet bei blanker Demagogie und sagt: „Wir trauern ebenso um ermordete Juden wie um ermordete Deutsche.“ Ähnlich äußert sich der NPD-Fraktionschef im Dresdner Landtag, Holger Apfel. Ein deutscher „Nationalmasochismus“ lasse Trauer um unsere Opfer nicht zu. Dann sind die Amerikaner dran: „Terror, Krieg, Gewaltherrschaft haben einen Namen in der Welt – die Vereinigten Staaten von Amerika!“. Dagegen wirkte Gerhard Frey von der DVU geradezu senil. Dresden ist an diesem 13. Februar nicht nur eine wichtige Etappe beim vereinten rechten Marsch auf den Bundestag Berlin 2006. Die Stadt soll nach dem Willen der Veranstalter auch die Hauptstadt für einen bundesweiten Gedenktag werden.

Zu viele, rund 5.000, haben bei dieser Schau deutscher Nationalkomplexe mitgemacht. MICHAEL BARTSCH