Nazis trauern sich was

Gedenken an Bombardierung Dresdens vor 60 Jahren. Rund 5.000 Neonazis auf dem Opfertrip. Kanzler warnt vor rechter Instrumentalisierung. Oberbürgermeister: Dresden nicht unschuldig

BERLIN/DRESDEN taz ■ Ein Aufmarsch von rund 5.000 Rechtsextremen hat gestern die Gedenkfeiern zum 60. Jahrestag der Bombenangriffe auf Dresden überschattet. Abgeschirmt von Hundertschaften der Polizei, zogen Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet durch die Dresdner Innenstadt.

Der so genannte Trauermarsch wurde angeführt von den Parteichefs der rechtsextremen NPD und DVU, Udo Voigt und Gerhard Frey, dem früheren „Republikaner“-Vorsitzenden Franz Schönhuber sowie dem sächsischen NPD-Fraktionschef Holger Apfel. Sie setzten in Reden die Opfer der alliierten Luftangriffe mit den Opfern des Nationalsozialismus gleich und bezeichneten die Bombardements als „amerikanischen Terror“. Zusammenstöße mit linken Gegendemonstranten blieben nach Polizeiangaben bis zum Abend aus.

Zum Zeichen des Protests trugen in Dresden viele Menschen weiße Rosen aus Seide am Revers. Das Dresdner Friedensbündnis, eine Aktion von Parteien, Gewerkschaften und Verbänden, hatte für den Nachmittag zu einer Demonstration für Demokratie und Toleranz aufgerufen. Am Abend hatten sich über 10.000 Menschen vor der Semperoper versammelt. Auf dem Altmarkt bildeten Demonstranten mit hunderten Kerzen den 50 Meter langen Schriftzug „Diese Stadt hat die Nazis satt“. Insgesamt wurden gut 80.000 Teilnehmer an den Gedenkveranstaltungen erwartet.

Die offiziellen Gedenkfeiern hatten am Vormittag auf dem Heidefriedhof begonnen, wo etwa 20.000 Opfer der Luftangriffe vom 13. und 14. Februar 1945 begraben sind. Sachsens CDU-Ministerpräsident Georg Milbradt und Oberbürgermeister Ingolf Roßberg legten gemeinsam mit den Botschaftern der USA, Großbritanniens und Frankreichs Kränze nieder. An der Zeremonie nahmen neben Politikern der demokratischen Parteien auch Vertreter rechtsextremer Gruppierungen teil.

Bundeskanzler Gerhard Schröder warnte in einer schriftlichen Erklärung vor den Versuchen der Rechtsextremen, die Geschichte zu verfälschen und das Leid der Menschen zu instrumentalisieren: „Wir werden nicht zulassen, dass Ursache und Wirkung verkehrt werden.“ Verantwortung vor der Geschichte heiße auch, „Untat und Leid nicht gegeneinander aufzuwiegen“. Zugleich bekundete er seine Trauer um „die Opfer von Krieg und nationalsozialistischer Gewaltherrschaft in Dresden, in Deutschland und in Europa“.

Oberbürgermeister Roßberg verwahrte sich ausdrücklich dagegen, Dresden als „unschuldige Stadt“ zu verklären. Dresden sei im Frühjahr 1945 „das größte noch existierende Zentrum der deutschen Rüstungsindustrie“ gewesen, sagte der FDP-Politiker: „Deshalb müssen wir uns von der Formel der ‚unschuldigen Stadt‘ lösen.“ AGX

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