Einmalig, ausgezeichnet, geschlossen

Heute entscheidet der Bezirksausschuss über die Schließung des „Kinderhauses am Kreuzberg“. Zeitgleich bekommt die Kita von der IHK einen Preis für ihre Familienfreundlichkeit – aus den Händen der Bundesfamilienministerin

Zu einem bizarren Showdown kommt es heute im Streit um die Schließung der Kita „Kinderhaus am Kreuzberg“: Abends verleiht Bundesfamilienministerin Renate Schmidt (SPD) im Rahmen einer Veranstaltung über „familienfreundliche Unternehmerkultur“ der Kindertagesstätte den Preis der Industrie- und Handelskammer Berlin (IHK) für besondere Familienfreundlichkeit. Am Nachmittag wird der Jugendhilfeausschuss des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg wahrscheinlich die Auflösung des Kinderhauses beschließen.

Als Teil der Umstrukturierung der Schul- und Kitalandschaft (Masterplan) sollen die Kita zum 1. April geschlossen und die 60 Kinder auf drei bis vier Einrichtungen verteilt werden. 1.700 Einrichtungen hatten sich am regionalen Kita-Check der IHK beteiligt. Drei werden nun ausgezeichnet. „Wir wussten, dass diese Kita ein Politikum ist“, sagt IHK-Sprecherin Christina Müller-York. Nichtsdestotrotz sei diese Kita „besonders prämierungswürdig“, was ihre Möglichkeiten der Vereinbarkeit von Familie und Beruf angeht. „Ausschlaggebend waren die flexiblen und langen Öffnungszeiten und das Modell der offenen und altersgemischten Gruppen“, so Müller-York.

Im Kinderhaus am Kreuzberg können die Kinder auf zwei Etagen in unterschiedlichen „Funktionsräumen“ spielen, basteln oder auch schlafen. Die in Berlin einzigartigen Öffnungszeiten ermöglichen, dass die Eltern ihre Kids zu verschiedenen Tageszeiten zwischen 7.30 Uhr und 20.30 Uhr hinbringen und abholen können. Davon profitieren vor allem Alleinerziehende und Berufstätige.

Von der Schließung profitieren soll nun eine benachbarte Grundschule, die ab dem Sommer in dem Kita-Gebäude nachmittags ihre Kinder betreuen lässt. „Dazu gab es einfach keine Alternative“, sagte Jugendstadträtin Sigrid Klebba (SPD).

Das Kinderhaus soll in die Großkita in der Baerwaldstraße integriert werden. Das wiederum ist für die betroffenen Eltern einfach keine Alternative. Denn die Großkita hat keine flexiblen Bringzeiten. „Ein bis zwei Räume hat man uns dort angeboten. In solchem Rahmen ist die Weiterführung unseres Konzepts nicht möglich“, so Elternsprecherin Christine Hempel. Mit der Begründung, Qualität sei nicht messbar, habe sich der Bezirk die Kitas noch nicht einmal angeschaut, bemängelt Hempel. Die Auszeichnung zeige nun: „Qualität ist eben doch messbar.“

Die Elternvertreter werden ihre drei Minuten Redezeit nach der Preisverleihung zum Protest nutzen. „Wir hoffen jetzt, dass Renate Schmidt sich für uns stark macht“, sagt Elternspecherin Irmgard Maenner. Und wenn das auch nichts hilft, wollen die Eltern vor Gericht ziehen.

ANNE BECKER