Bei Anruf Ohrenterror

Furzende Nashörner, kotzende Frösche, fickende Vögel: ein Verbrechen namens Jamba

Wenn noch vor zehn Jahren jemand erzählt hätte, er habe da eine ganz tolle Geschäftsidee, an Kinder Telefon-Klingelgeräusche zu verkaufen, er wäre mit Sicherheit wegen Stupidität und handfestem Ballaballa aus dem Kreis ernst zu nehmender Gesprächspartner entfernt worden. Wer und warum sollte denn Klingelgeräusche kaufen? Dass eine Frau 150 Paar Schuhe im Schrank hatte, war okay, aber mit 150 Sorten Telefonklingeln, die regelmäßig im Abo gegen 150 neue ausgetauscht werden, hätte man ihr attestiert, einen an der Glocke zu haben. Kann sein, dass Sigmund Freud von diesem Phänomen sehr angetan gewesen wäre, kann aber auch sein, dass er seine gesamte Psychoanalyse in der Pfanne gebraten hätte.

Je nun – die Zeiten haben sich geändert, die Welt hat sich gedreht. Wann wie wodurch genau, weiß keiner, aber seit ein paar Jahren sind Klingeltöne der Hit, und Hits sind erst dann wirklich Hits, wenn sie Klingeltöne sind. Der akustisch chronisch unterversorgte Mensch, schon überall von Songs, Sounds, Jingles umgeben, hält auch noch seine eigene Klangschleuder ständig parat, aus denen er wahlweise polyphones Orchestergeschrammel, Orgasmusgeräusche und Kettensägenmassaker beisteuert – gegen Geld selbstverständlich, das er nicht dafür kriegt, sondern bezahlt. Harmloses Pläsierchen, sagen die einen, Individual-Apokalypse die anderen.

Was immer es ist, es ist vor allem ein Riesengeschäft mit Gewinnen, von denen die Hersteller von Katzenstreu und Naturholzdildos nur träumen können. Sämtliche TV-Werbekanäle sind verstopft von Jamba-Klingeltonwerbung mit dem unerfreulichen Nebeneffekt, dass das Gedudel und Gedöp auch aus dem Fernsehkasten dringt. Was man nicht verbieten kann, heißt es, muss man versuchen zu genießen. Das stimmte bei der Erfindung des Geschlechtsverkehrs, des Tabaks und der Currywurst, aber stimmt es bei den Klingeltönen?

Sogar die Bundesregierung – wahrlich gut ausgelastet mit der Verschleierung von Nebeneinkünften und der Reservierung von Fußball-WM-Tickets – musste sich kürzlich mit den Klingeltönen befassen. Auf Antrag von Wirtschaftsminister Clement wurden wichtige Änderungen im Telekommunikationsgesetz beschlossen. Es geht vor allem darum, dass in der Klingeltonwerbung das Kleingedruckte künftig etwas größer gedruckt werden soll, vor allem der Preis. Es gibt Klingeltöne, die zehn Euro und mehr kosten. Und das Klingeltonbudget deutscher Schüler übersteigt bereits den Staatshaushalt mancher afrikanischer Länder.

Die Menschheit ist momentan sehr damit beschäftigt, drohende Gefahren schärfer ins Auge zu fassen, seien es die Tsunamis von übermorgen, seien es Probleme mit der Erdachse oder sei es die Gefahr, die von unentdeckten Asteroiden ausgeht. Vielleicht sollte sie eher ihr Augenmerk auf die Geschäftsideen richten, die kommen werden. Gleich Naturkatastrophen kommen sie unvorhersehbar und sehen harmlos aus. Aber wenn sie da sind, klingelt es gewaltig. RAYK WIELAND