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Abnehmende Lebensfülle

Mein Haus, meine Frau, meine Zweitfrauen: Andreas Dresens „Willenbrock“ (Panorama) erzählt die Geschichte eines Geschäftsmannes, dem Axel Prahl mit nöligem Draufgängertum Charme verleiht

VON BARBARA SCHWEIZERHOF

Die Filme von Andreas Dresen haben diesen besonderen Authentizitäts-Touch, ein Lokalkolorit im besten Sinne: Schwerin, Frankfurt (Oder), Ostberlin – selten sieht man Städte so konkret wie bei ihm. Mit den Figuren verhält es sich ähnlich: Herkunft, Familienstand, Beruf, Innenleben. Ohne dass es im Einzelnen ausgesprochen würde, wirken sie bis in die Nebenrollen hinein geradezu merkwürdig komplett. Man kann aus so viel Gegenwart und Realitätsnähe auf der Leinwand einen eigenen Genuss ziehen, manchmal ist es als Übermaß an Wirklichkeit ein bisschen lästig. Sie verleiht den Filmen jedenfalls eine charakteristische Schwerfälligkeit.

Das alles ist auch bei „Willenbrock“ wieder so, mit dem Dresen einen Roman von Christoph Hein verfilmt hat. Der Titelcharakter, gespielt von Axel Prahl, war zu DDR-Zeiten Ingenieur und hat es nach der Wende als Gebrauchtwagenhändler zu Geld und Wohlstand gebracht. Wie in einem Stationendrama schreitet Prahl anfangs durch verschiedene Episoden, die sein arriviertes Leben auffächern: Die komfortable Stadtvilla, das Haus auf dem Land, die Boutique für die brave Ehefrau und großzügige Geschenke für gleich zwei Geliebte. Erfolgreiche Geschäftsmänner taugen wenig zur Identifikationsfigur im deutschen Film: Prahl muss sein gesamtes nöliges Draufgängertum entfalten, um seinem Willenbrock Charme zu verleihen. Er spielt ihn mit einem sympathischen und von keinem schlechtem Gewissen getrübtem Hunger auf Sex und gutes Leben.

Doch kein Film ohne Krise: Trotz Prosperität geht es Willenbrock nicht gut. Mehrfach wird sein Geschäft überfallen. Und ausgerechnet am Ort des Rückzugs, dem schönen Landhaus, passiert ihm samt Ehefrau der Albtraum. Verbrecher dringen nachts bei ihnen ein, und obwohl es dem Paar gelingt, sie in die Flucht zu schlagen und selbst einigermaßen unversehrt davon zu kommen, bleibt der Schock. Während die Frau fortan das Gefühl der Bedrohung nicht mehr los wird und sich einschließt, kommt auch bei Willenbrock die Lebensfülle ins Stocken. Ausgerechnet ihm, dem „Macher“, laufen die Dinge aus dem Ruder. Die junge Geliebte will nicht so wie er. Und als er sich von der älteren trennt, um sich reuig ausschließlich der verängstigten Ehefrau zu widmen, will die auf einmal auf eigenen Füßen stehen.

Irgendwo in diesem Real-Life-Drama liegt außerdem noch eine verwegene „Wild East“-Geschichte verborgen, die von Verbrechen und Strafe handelt und davon, dass „ein Mann tun muss, was er tun muss“. Ein, natürlich undurchsichtiger, russischer Mafioso, guter Kunde von Willenbrock, spricht markante Sätze über Leben und Tod, so, als könne er ihm in die Seele schauen. Irgendwann gibt er ihm eine Waffe. Doch der aufscheinende Dostojewski verläppert sich zugunsten einer Ehegeschichte, in der die verwöhnte Gattin, die anfangs keinen Lichtschalter selbstständig betätigen kann, schließlich den goldenen Käfig verlässt. Wie gesagt: Dresen ist Realist.

„Willenbrock“. 16. 2., 21.30 Uhr, Zoo Palast; 17. 2., 13.30 Uhr, CinemaxX 7; 18. 2., 14.30 Uhr, International

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