Bekenner und Verdränger

Die brillante Dokumentation „Im Rausch der Macht “ (ARD, 23.30 Uhr) zeigt, wie süchtig Politik machen kann

In dieser Sache sind Helmut Kohl und Gregor Gysi sich einig: Macht berauscht! Und Politik hat viel mit Macht zu tun. Sie sind nicht die Einzigen, die das erkannt haben. Von der „süßen Droge Politik“ schwärmt Horst Seehofer, und Joschka Fischer nennt seine Arbeit ein „Rendezvous mit der Geschichte“. Heide Simonis gibt offen zu: „Ich werde depressiv, wenn mich einer aus fünf Schritten Entfernung nicht erkennt.“

Den drei Autorinnen der Doku „Im Rausch der Macht“ ist es meisterhaft gelungen, Berliner Spitzenpolitikern faszinierende, vor allem aber beängstigende Sätze über ihr eigenes Dasein zu entlocken. Sie haben die Politiker sprechen und sich dabei selbst entlarven lassen. Vielleicht kein Zufall, dass es Frauen sind, die sich für eine fast kommentarlose Darstellung entschieden haben: Sie ist bescheiden, aber in der Konfrontation mit der erschütternden Wirklichkeit gnadenlos.

Manchmal drängt sie während der 45 Minuten ganz nah an den Zuschauer heran. Klaus Kinkel sitzt vor einer Bücherwand. Sein Gesicht ist mit einem fettig-schwitzigen Film überzogen. Eben hat er gesagt, dass man bei Problemen sein Amt „ja nicht einfach hinwerfen“ könne. Die Journalistin hat nachgefragt: „Warum nicht?“ Kinkel ist empört: „Na hören Sie mal, Sie tragen doch Verantwortung, nicht? Da gibt es eine Partei, und deren Parteivorsitzender sind Sie, und wenn Sie dieses Amt wahrnehmen, dann haben Sie das vorher gewusst!“ Horst Seehofer, den sein Job als Gesundheitsminister bis an den Rand der Lebensfähigkeit getrieben hat, bringt auf den Punkt, was alle falsch finden, aber niemand ändert: Politiker verschieben Dinge, die zwar notwendig, aber unpopulär sind. Der Grund: „Um das Risiko des Machtverlustes nicht zu haben.“ „Nur intern“ haben die Autorinnen daraufhin die zehn interviewten Spitzenpolitiker, darunter auch Joschka Fischer und Wolfgang Clement, in zwei Kategorien eingeteilt: die Bekenner und die Verdränger der Sucht.

Die Frage, welche Einfluss die Medien auf dieses Suchtverhalten haben, lässt der Film bewusst unbeantwortet. „Wie wollten kein weiteres Fass aufmachen“, sagt Ferdos Forudastan, ehemalige Bonn-Korrespondentin der taz. Hoffentlich machen sie und ihre Kolleginnen Käthe Jowanowitsch und Stephanie Rapp bald ein neues auf. MIA RABEN