Die Wissenschaft ist für alle da

Seit mehr als 20 Jahren bildet der Wissenschaftsladen Bonn eine Brücke zwischen wissenschaftlichen Forschungsergebnissen und den Interessen der Bürger. Doch eine echte „Wissensladenbewegung“ ist daraus in Deutschland nicht entstanden

VON ULLA JASPER

Fast unbemerkt von der breiteren Öffentlichkeit hat der größte europäische Wissenschaftsladen in Bonn gerade sein 20-jähriges Bestehen gefeiert. Doch obwohl vermutlich nur wenige Bundesbürger jemals von der Bonner Einrichtung gehört haben, gilt der Laden als ein deutschlandweit einzigartiges Erfolgsprojekt.

Gegründet 1984 durch eine Initiative Bonner Studenten und Akademiker, versucht der Wissenschaftsladen Bonn e.V. (Wila), eine Brücke zu schlagen zwischen Wissenschaft und Bürgern. Vorbild der Institution sind die so genannten „Wetenschapswinkel“, die in den 1970er Jahren in den Niederlanden an fast allen Hochschulen des Landes entstanden. Die Forderung der Studenten war damals, dass sich Wissenschaftler endlich mit den Themen beschäftigen sollten, die für die BürgerInnen von wirklicher Bedeutung seien: Ökologie, Gesundheit und Bürgermitbestimmung zählten dazu.

In den Anfängen versuchten die Betreiber der Wissenschaftsläden deshalb mit einfachen Mitteln, an den Universitäten und Forschungseinrichtungen auf Fragen und Anliegen der BürgerInnen die passenden Antworten zu finden und wissenschaftliche Ergebnisse einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Zwar ist heute der Zugang zu Informationen durch das Internet und andere Medien leichter als früher, doch wird es in dem Wust an Nachrichten, Mitteilungen und Daten immer schwieriger, verlässliche Informationen herauszufiltern und zu bewerten.

Deshalb beschäftigen sich die Bonner Wila-MitarbeiterInnen weiterhin damit, Antworten auf Probleme und Fragen zu finden, die ihnen von besorgten und interessierten Bürgern gestellt werden. „Früher hatten wir viele kleine Bürgeranfragen quer durch den Gemüsegarten, aber das ist heute weniger geworden“, erklärt Wila-Geschäftsführer Theo Bühler.

Der Schwerpunkt der Arbeit liegt heute im Erstellen von Gutachten und Analysen für Verbraucher und öffentliche Auftraggeber. „Unsere Wissenschaftler sammeln, messen, bewerten und analysieren Forschungsergebnisse und bereiten sie dann auf“, sagt Bühler. Dabei konzentrieren sich die Wissensvermittler auf die drei Themenbereiche Umwelt und Gesundheit, Bürgergesellschaft und Nachhaltigkeit sowie Arbeitsmarkt und Qualifizierung.

Neben Analysen und Publikationen sollen Seminare, Vortragsveranstaltungen und Weiterbildungsangebote dazu beitragen, dass das im Wila „angehäufte“ Wissen interessierten Menschen zugänglich gemacht wird. Das große Plus des Wila sei es, bei den BürgerInnen mittlerweile ein „gewisses Grundvertrauen“ als Wissensvermittler aufgebaut zu haben, indem man in der Vergangenheit immer ein kritisch-distanziertes Verhältnis zu den Forschungsergebnissen des Wissenschaftsbetriebs beibehalten habe, ohne jedoch alarmistisch zu sein, wie Bühler betont.

So verweist er nicht ohne Stolz auf die Arbeit des Ladens bei der Erforschung der negativen Folgen des Elektrosmogs. Die Ergebnisse, die der Wila in der Vergangenheit gesammelt und als Gutachten veröffentlicht habe, seien mittlerweile selbst von den Mobilfunkanbietern akzeptiert, auch wenn die Unternehmen natürlich andere Positionen vertreten.

Warum sich trotz der erfolgreichen Arbeit des Wila Bonn in Deutschland kaum andere Wissenschaftsläden etabliert haben, kann auch Bühler nicht so ganz erklären. Er räumt jedoch ein, dass die Finanzierung – anders als in den Niederlanden, wo es staatliche Zuschüsse für die Einrichtungen gibt – schwieriger sei. Öffentliche Zuschüsse erhält der Wila nur für einzelne Projekte. Die Arbeit der Einrichtung muss sich deshalb vor allem selbst finanzieren – durch Teilnahmegebühren der Veranstaltungsteilnehmer, Beiträge für angebotene Dienstleistungen sowie Drittmittel. Ein Erfolgsrezept des Bonner Projekts sei zudem gewesen, dass es sich von Beginn an auf den gesellschaftlichen Bedarf und aktuelle Problemstellungen konzentriert habe, so Bühler.

Ein anderes Erfolgsgeheimnis für die 20-jährige erfolgreiche Arbeit sieht der Geschäftsführer in der Satzung, die sich die Aktivisten in den 80er Jahren gegeben haben. Darin ist festgelegt, dass alle MitarbeiterInnen, die zumindest eine halbe Stelle im Wila hat, stimmberechtigt ist: „Wir sind sozusagen ein selbstverwalteter Betrieb – und das ist nicht nur so daher gesagt.“