„Die Bürgerstiftung bedeutet politische Unabhängigkeit“

Mit mindestens 50.000 Euro Startkapital soll eine „Bürgerstiftung“ künftig auf Nachhaltigkeit und Partizipation gerichtete Projekte in Köln fördern. Mitinitiatorin Dorothea Freese über die Vorteile des Stiftungsmodells, die Verankerung in der Stadtgesellschaft und Fehler in der Anfangsphase

taz: Im Moment gibt es über 130 Stiftungen in Köln. Ist die Gründung einer neuen wirklich erforderlich?

Dorothea Freese: Unbedingt. Keine dieser Stiftungen setzt sich ausdrücklich für die Förderung bürgerschaftlichen Engagements, für Partizipation und für nachhaltiges Handeln in Köln ein. Diese zwei Punkte sind ein zentraler Teil des Förderprofils der Bürgerstiftung.

Bis vor kurzem wurden derartige Projekte überwiegend von der Stadt finanziert. Ist die Kölner Bürgerstiftung ein Ersatz für gekürzte öffentliche Förderungen?

Eine Sache ist bei uns klar: Die Pflichtaufgaben der Stadt darf die Bürgerstiftung nicht übernehmen. Dennoch gab es schon immer – auch außerhalb dessen, was die Stadt geleistet hat – eine ganze Palette von Initiativen, die in den Stadtteilen im kulturellen, sozialen, sportlichen und erzieherischen Bereich aktiv waren. Die brauchen auch Geld. Alle Gruppen, die sich in ihrem Stadtviertel etwa um die Verbesserung der Lebensqualität der Nachbarschaft und um die Integration kümmern, sollen auch von der Bürgerstiftung gefördert werden.

Wie hoch ist das Startkapital der Stiftung?

Für die Gründung müssen mindestens 50.000 Euro zur Verfügung stehen. Das ist gesetzlich vorgeschrieben. Wir von KölnAgenda finden aber, dass für Köln eigentlich 500.000 bis eine Million Euro als Startkapital angemessen sind.

Skeptiker meinen, dass die Bürgerstiftung keine richtige Verankerung in Köln habe. Wird sie vielleicht auf Sand gebaut?

Nein. Ich bin der Meinung, dass sehr viele Kölner sich für ihre Stadt und für ihr Anliegen engagieren. Eine Bürgerstiftung wird für die Bürger ein Instrument sein, um nach ihrem eigenen Maß und mit ihrem eigenen Geld zu wirken. Das ist ein wichtiger Aspekt für alle, die sich in sozialen Bereichen engagieren.

Die Bürgerbeteiligung wird heute schon von KölnAgenda gefördert. Wir wollen das fortsetzen und erreichen, dass die Stadtverwaltung Bürgerbeteiligung nicht mehr als Schreckgespenst oder als lästiges Beiwerk betrachtet. Das heißt, dass sich die Bedingungen sozialen Engagements zugunsten der Interessierten ändern sollen. Zusätzlich legen wir großen Wert auf Transparenz und Partizipation.

In der Gründungsphase sind aber gerade Transparenz und Partizipation nicht besonders sichtbar: Die Aufgaben werden von einer geschlossenen Gruppe erledigt. Einige Organisationen sind bei der „empirischen Studie“, die zur Gründungsstrategie der Kölner Bürgerstiftung durchgeführt wurde, nicht angesprochen worden – zum Beispiel sämtliche Migrantenorganisationen.

Angefangen haben wir mit einer Studie. Zwei Wissenschaftler haben zentrale Personen des gesellschaftlichen Lebens in Köln befragt. Damit haben wir versucht, nicht nur deren Antworten zu bekommen, sondern auch die Idee der Stiftung weiter zu tragen. Die Vorbereitungsphase war außerdem durch viele einzelne Schritte geprägt, wie beispielsweise den Satzungsentwurf vorzubereiten und das erste Faltblatt herzustellen. Deshalb gab es kein Forum. Ich sehe das heute als Fehler. Aber wir versuchen das zu ändern. Jetzt wollen wir zeigen, dass wir offen für die Diskussion sind. Es stimmt, dass die Gründungsaufgaben von einem Kernteam von acht bis zehn Leuten erledigt wurden.

Sind die Mitglieder des Gründungsteams Vertreter von Lobbygruppen oder einfache Bürger?

Das sind einfache Bürger wie Rechtsanwälte, Unternehmer oder Unternehmensberater, Juristen.

Die Stadtverwaltung hat sich auch durch das Netzwerk „Bürgerengagement Köln“ daran beteiligt, oder?

Wir suchen die Unterstützung der Stadt in bestimmten Bereichen, zum Beispiel, um Kontakte mit Unternehmen zu knüpfen. Wir sehen aber nicht, dass bei uns der Oberbürgermeister geborenes Mitglied des Vorstands ist. Das passt nicht zu unserem Konzept. Denn die Bürgerstiftung ist nicht nur unabhängig von privaten Unternehmen, die vielleicht eine hohe Einlage ins Stiftungskapital gemacht haben, sondern sie bedeutet auch politische Unabhängigkeit.

INTERVIEW: FAHIME FARSAI