Schlechte Karten für „Portugals Berlusconi“

Am Sonntag finden in Portugal Parlamentswahlen statt. Angesichts einer desaströsen Wirtschaftspolitik der Konservativen sehen Umfragen die Sozialisten weit vorn. Doch auch die können die Wähler nicht begeistern

MADRID taz ■ Desinteresse prägt den Wahlkampf in Portugal, wo am Sonntag Parlamentswahlen stattfinden. Die neue Regierung wird dann die vierte in nur vier Jahren sein. Weder der regierende Konservative Pedro Santana Lopes von der Sozialdemokratischen Partei (PSD) noch sein Herausforderer José Socrates von der Sozialistischen Partei (PS) können das Wahlvolk begeistern. Resignation macht sich breit.

Die vorgezogenen Neuwahlen wurden nötig, nachdem Staatspräsident Jorge Sampaio das Parlament vorzeitig auflöste, um so einen Schlussstrich unter die chaotische Amtsführung von Santana Lopes zu ziehen. Der 48-jährige hatte letzten Herbst José Manuel Durao Barroso abgelöst, nachdem dieser den Posten als Präsident der EU-Kommission in Brüssel angenommen hatte.

„Der portugiesische Berlusconi“, wie Santana Lopes gern genannt wird, war mehr im Fernsehen als im Regierungssitz zu finden. In Talkshows gab er die wildesten Theorien zum Besten und kündigte Maßnahmen an, die sofort von Ministern dementiert wurden.

Doch was Präsident Sampaio veranlasste, per vorgezogener Neuwahl die Notbremse zu ziehen, war die Wirtschaftspolitik des Konservativen. Santana Lopes beendete die strenge Sparpolitik seines Vorgängers Durao Barroso. Er versprach weniger Steuern, mehr öffentliche Ausgaben und eine überdurchschnittliche Lohnerhöhung für Beamte – obwohl die Staatskassen leer sind. 5 Prozent Neuverschuldung werden am Ende des Jahres zu Buch schlagen, trotz Verwarnungen aus Brüssel. Denn Portugal war das erste Land, das bereits 2001 gegen den EU-Stabilitätspakt verstieß.

„Ein Mann weint auch, … er braucht Zärtlichkeit … ich sehe wie er schreit, wie er blutet“ heißt es in der Wahlkampfhymne „Kriegskind“ von Santana Lopes. Auch dies bringt ihm keine Zuneigung beim Wahlvolk. Die Portugiesen sind Santana Lopes leid. Alle Umfragen sagen dem Sozialisten Socrates einen haushohen Sieg voraus. Da hilft auch eine Schmutzkampagne der Rechten nichts, die Socrates Korruption unterstellt und seine sexuelle Orientierung hinterfragt.

Aber auch Socrates kann die Bevölkerung nicht wirklich begeistern. „Kandidat Armani“, wie der modisch gekleidete 49-Jährige ehemalige Umweltminister von der Presse genannt wird, ist kühl und gilt als schlechter Kommunikator.

In nur vier Jahren ist Portugal zum ärmsten Mitglied der alten, westeuropäischen Europäischen Union abgestiegen. 6 Prozent Arbeitslosigkeit klingt zwar wenig, doch 730.000 der 10 Millionen Portugiesen arbeiten beim Staat, und 54 Prozent der Wähler leben direkt oder indirekt von der Staatsverwaltung. Da kommen Versprechungen einer „Modernisierung des Staatsapparates“ schlecht an. 95 Prozent der Bevölkerung schauen laut einer Eurostat-Umfrage mit Sorge in die Zukunft. Und die Gewerkschaften haben bereits Widerstand gegen Sparmaßnahmen angekündigt.

REINER WANDLER