Wohnen unterm Halbmond

ALTENHEIM Das Haus Tabea ist das erste Hamburger Altersheim, das einen nach den Bedürfnissen türkischer Menschen eingerichteten Wohnbereich anbietet. Nach Möglichkeit betreuen sie türkische Pflegekräfte

„Die Menschen sollen sichergehen, dass ihre Gewohnheiten respektiert werden“

Andrea Stein, Heimleiterin

VON BARBARA NEUKIRCHINGER

Mühsam schleppt sich ein alter türkischer Mann im schwarzen Jogginganzug den Flur entlang. Wenn er jemanden auf dem Flur des Wohnbereichs trifft, bleibt er erstmal neugierig stehen und sieht so aus, als müsste er lange überlegen, ob er die Person überhaupt kennt. Der an Alzheimer erkrankte Mann ist einer von vier türkischen BewohnerInnen des Seniorenheims Tabea. Das Haus in Lurup ist das erste Heim in Hamburg, dass einen eigens nach den Bedürfnissen türkischer Menschen eingerichteten Wohnbereich anbietet.

Laut Heimleiterin Andrea Stein war die größte Motivation für die Gründung der türkischen Wohngruppe, dass im Stadtteil Lurup traditionell viele MigrantInnen leben. Gleichzeitig sei auch die Arbeiterwohlfahrt Altona mit dem Anliegen an sie herangetreten. Die AWO hat das Projekt dann von Anfang an begleitet. Daraus habe sich auch ein reger Austausch über die Zielsetzung entwickelt, so Stein. „Die Menschen sollen sichergehen, dass ihre Religion und ihre Gewohnheiten respektiert werden“, erklärt sie den Grundgedanken. Das Heim steht unter der Trägerschaft des evangelisch-freikirchlichen Diakoniewerks Tabea e.V.

Vom Aufbau her ähneln sich alle Wohngruppen des Hauses: in jedem gehen von einem L-förmigen Flur die Zimmer sowie ein Ess- und Wohnzimmerbereich ab. Ein helles, sandiges Gelb, das das ganze Haus prägt, erzeugt eine freundlich-gedeckte Atmosphäre. Um die entsprechende Heimeligkeit in dem türkischen Flügel herzustellen, wird dieser mit orientalischen Möbeln und Accessoires ausgestattet. Gestickte Koransuren hängen in langen Stoffbahnen von den Wänden herab. Was auf den Tisch kommt, stammt von einem türkischen Lebensmittellieferanten, und es ist auch an einen muslimischen Gebetsraum gedacht worden.

Beim Rundgang wirkt der gesamte Trakt noch etwas kahl. Einige handgewebte Tücher im Gang vermitteln jedoch schon den Hauch einer orientalisch anmutenden Atmosphäre. Im großen Wohn- und Gästezimmer mit integrierter Küche gerät die Heimleiterin schließlich ins Schwärmen. Die türkische Küche und deren große Gewürzvielfalt haben es der gebürtigen Hessin angetan. „Hier war immer ein anderer Geruch“, meint sie, wenn sie vom Kochen erzählt. „Das fand ich schön.“ Es ist Teil des Konzepts von Tabea, dass sich alle BewohnerInnen freiwillig und nach ihren Möglichkeiten in den alltäglichen Ablauf integrieren, also etwa beim Kochen helfen. Im gesamten Haus befindet sich dementsprechend keine Großküche oder andere zentrale Räume, wie sonst in Altersheimen.

Betreut werden die BewohnerInnen neben den PflegerInnen außerdem von so genannten Präsenzkräften, die für sie das Essen zubereiten und ihren Alltag gestalten. Speziell in der migrantischen Gruppe ist Tabea bestrebt, türkische BetreuerInnen einzustellen, die die Muttersprache kennen und mit den Gebräuchen vertraut sind. Denn sobald Altersdemenz auftritt, vergessen viele ihre deutschen Sprachkenntnisse und sind auf besondere Betreuung angewiesen.

Die Pflegerin Ayse Borhan ist eine von diesen MitarbeiterInnen. Sie findet es gut, dass sie jetzt in einer solchen Gruppe arbeiten kann: „Die Bewohner wollen auch einen Landsmann sehen, wir können anders auf sie zugehen“, glaubt sie. Dass sich das Seniorenheim bemüht, auf muslimische Gebräuche einzugehen, kann man auch an ihrer Dienstkleidung erkennen. Borhan trägt zusammen mit ihrem seidig glänzenden Kopftuch einen langen, bis an die Knie reichenden Kittel in dem üblichen Krankenhausweiß. Ihr ist es wichtig, dass die Bewohner auf Wunsch auch religiösen Ritualen nachgehen können. Wie Borhan und Stein erzählen, wurde der Gebetsraum bisher jedoch noch nicht genutzt. Die Bewohner hier sind eher liberal eingestellt und beten nicht regelmäßig.