Japan will heraus aus Nordkoreas Schatten

Neues Gesetz soll Japans Armee den Abschuss feindlicher Raketen erlauben, womit vor allem nordkoreanische gemeint sind. Auch Sanktionen sind in Planung. Südkoreas Geheimdienst bestätigt Atomwaffenbesitz des Nordens

TOKIO taz ■ Japans Kabinett hat am Dienstag ein Gesetz verabschiedet, das es der japanischen Armee erlauben soll, bei einem Angriff schneller zu reagieren. Der Chef der japanischen „Selbstverteidigungskräfte“ (SDF) erhält demnach die Befugnis, bei einem Angriff von Raketen ohne Rücksprache deren Abschuss anzuordnen. Gemäß den geltenden Bestimmungen braucht es dazu die Zustimmung des Parlaments. Japans Legislative wird voraussichtlich diese Woche über den Gesetzentwurf abstimmen.

Armeechef Yoshinori Ono sagte, die Bedrohungen, denen Japans Bevölkerung ausgesetzt seien, hätten sich im Laufe der Zeit stark erweitert. Ono vermied es, Nordkorea, das sich vergangene Woche zur Atommacht erklärt hatte, direkt beim Namen zu nennen. Die Erklärung der Armee, die Abläufe müssten beschleunigt werden, weil im Notfall nur zehn Minuten Zeit zur Reaktion blieben, deuten jedoch klar auf Nordkorea hin.

Zum Schrecken seines Nachbarn Japan feuerte Pjöngjang schon 1998 ein Geschoss über den japanischen Archipel – nach Einschätzung von Experten handelte es sich um eine ballistische Rakete. Nordkorea behauptete damals, es habe einen Test im Zusammenhang mit seinem Satellitenprogramm unternommen. Japan hat seither die Zusammenarbeit mit den USA für ein Raketenabwehrschild (Missile Defence) vorangetrieben. Auch Nordkorea blieb jedoch nicht untätig: Eine südkoreanische Zeitung berichtete am Dienstag unter Berufung auf Regierungskreise in Seoul, Nordkorea habe eine verbesserte Scud-Kurzstreckenrakete entwickelt, die außer Südkorea auch große Teile Japans erreichen könne.

Nach Nordkoreas atomarem Eingeständnis hat auch die Diskussion um Sanktionen in Japan neuen Auftrieb erhalten. Strafmaßnahmen seien nun die einzige Option, schrieb die konservative Zeitung Yomiuri. Eine Arbeitsgruppe der regierenden Liberaldemokraten hat sich des Themas angenommen. Sanktionsähnliche Wirkung hat ein bereits beschlossenes Gesetz für die Kompensation bei Ölschäden auf hoher See. Ab Anfang März dürfen nur noch solche Schiffe in japanischen Häfen anlegen, die für solche Unfälle ausreichend versichert sind. Lediglich drei Prozent der nordkoreanischen Frachtschiffe dürften diesen Anforderungen genügen.

Japan importiert aus Nordkorea vor allem Meeresfrüchte. Sollte zudem der Personenfährbetrieb zwischen den beiden Staaten zum Erliegen kommen, wären die Konsequenzen in Nordkorea sehr spürbar. Denn auf diesem Weg werden große Bargeldbeträge nach Pjöngjang gebracht; ethnische Koreaner, die in Japan leben und ihre verarmten Verwandten besuchen, betätigen sich als Kuriere.

Auch in den USA wird erwogen, Nordkorea finanziell auszutrocknen. Laut der New York Times erarbeitet die US-Regierung ein Instrumentarium, mit dem Nordkoreas Haupteinnahmequellen gekappt werden sollen. Westliche Geheimdienste beschuldigen Nordkorea, sich mit dem Verkauf von Raketen, Atomtechnologie, Drogen und Falschgeld Devisen zu beschaffen. US-Präsident Bush drohte Nordkorea bereits nach Ausbruch der Atomkrise Ende 2002 mit einer Seeblockade.

Nach Einschätzung des südkoreanischen Geheimdienstes besitzt Nordkorea möglicherweise wirklich eine oder zwei Atombomben. Allerdings verfüge das Land wahrscheinlich derzeit noch nicht über die Technologie, mit Atomsprengköpfen auch Raketen zu bestücken, soll der Nachrichtendienst in einem Bericht an das Parlament erklärt haben. Vereinigungsminister Chung Dong Young hatte am Montag das Bekenntnis Pjöngjangs, Atommacht zu sein, in Zweifel gezogen.

In Nordkorea liefen derweil die Vorbereitungen für den heutigen 63. Geburtstag des Machthabers Kim Jong Il. Das Staatsfernsehen zeigte hunderte von tanzenden Soldaten, die laut Kommentar das „Hauptquartier der Revolution“ verteidigen.

MARCO KAUFFMANN