Lieber Kinder als Doggen

Renate Schmidt (SPD) muss sich vom Ziel einer Familienkasse verabschieden und kann stattdessen wohl nureine Broschüre über Kinderförderung drucken. Zudem sollen Familien mit Kind leichter eine Wohnung finden

BERLIN taz ■ Möglichst unauffällig verabschiedete sich Familienministerin Renate Schmidt (SPD) gestern von ihrem Ziel einer Familienkasse. „In dieser Legislaturperiode schaffen wir das nicht mehr“, sagte sie. Die Umsetzung sei zu schwierig.

Das Bündeln der Vielzahl staatlicher Leistungen – von Kindergeld über Kinderbaugeld – sollte den Nachwuchswilligen die Sorge um unübersichtliche Kinderförderungen nehmen. Das bleibt war Schmidts Ziel, zunächst soll jedoch lediglich ein „Kompass“ für Familien geschaffen werden, wie die Ministerin ankündigte – den könne man ja auch „Familienkasse“ nennen.

In der Tat ist aber nicht einmal gewiss, ob dieser Wegweiser – wie in einem Zeitungsbericht angekündigt – eine beratende „Anlaufstelle“ oder lediglich eine Broschüre sein wird, die Eltern über Förderungen aufklärt. Über die Umsetzung gab die Ministerin gestern keine Auskunft.

Stattdessen stellte sie den „Nationalen Aktionsplan für ein kindergerechtes Deutschland“ vor, der bis zum Jahre 2010 für mehr Kinder- und Famlienfreundlichkeit in Deutschland sorgen soll. „Wir müssen endlich in die Spitzengruppe Europas vordringen“, gab sich Schmidt kämpferisch. Deutschland sei bisher ein „kinderentwöhntes“ Land, in dem es einfacher sei, „mit einer mannshohen Dogge“ als mit zwei Kindern eine Wohnung zu finden.

Zugeben musste die Ministerin allerdings, dass der Aktionsplan „eine Bestandsaufnahme“ und „Zielsetzung“ sei, die „keine spektakulären neuen Forderungen“ enthalte. Nichtsdestotrotz oder gerade deswegen wurde der Plan gestern anstandslos vom Bundeskabinett abgenickt und habe – wie Schmidt stolz sagte – auch die „große Zustimmung“ des Bundeskanzlers.

Der Aktionsplan, der einen Beschluss des UN-Weltkindergipfels von 2002 ratifiziert, ist recht unkonkret gehalten. Im Jahre 2007 möchte sie dann die Umsetzung vorstellen, kündigte Schmidt an. Zunächst stellte sie sechs Handlungsfelder auf dem Weg zu einem kindergerechten Deutschland vor.

Besonders hob Schmidt dabei dabei die Förderung der Chancengleichheit hervor. Es dürfe nicht länger sein, dass der soziale Hintergrund von Kindern so stark den Bildungserfolg bestimme. Die Förderung müsse schon vor Schulbeginn einsetzen.

Zudem setzt sich die Ministerin mit dem Plan für ein „Aufwachsen ohne Gewalt ein“. Auch soll ein gesundes Leben und gesunde Umweltbedingungen gefördert werden. „Ein Drittel der 15-jährigen trinkt regelmäßig Alkohol“, sagte sie. Der Plan unterstütze, dass Kinder- und Jugendliche sich mehr politisch beteiligen können. Schmidt verwies darauf, dass die Maßnahmen mit Unterstützung von Jugendlichen ausgearbeitet wurden. Auch werde die Regierung die Kinderarmut bekämpfen.

In der allgemeinen Form stößt der Aktionsplan auch bei der Union auf Zustimmung. Bei den Details der Umsetzung könnte es zu „unterschiedlichen Vorstellungen“ kommen, heißt es aus Kreisen des Familienministeriums. Die National Coalition für die Umsetzung der Kinderrechtskonvention in Deutschland begrüßte den Plan als ersten Schritt. SASCHA TEGTMEIER

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