Gespräche in schwerem Wasser

Die EU findet mit Teheran keine Lösung, jetzt haben die USA und Israel den Ton verschärft. Auf ein Konzept können sich die EU und die USA nicht einigen

VON BAHMAN NIRUMAND

Die Neueröffnung der iranischen Botschaft im noblen Berliner Bezirk Dahlem bot dem iranischen Außenminister Kamal Charrasi einen willkommenen Anlass zu einem Gespräch mit seinem Kollegen Joschka Fischer. Hauptthema: das iranische Atomprogramm. Iran verstärkt seine PR-Kampagne, denn der Konflikt scheint zu eskalieren.

Die USA schicken seit einem Jahr unbemannte Spionageflugzeuge, der Iran droht jetzt mit deren Abschuss und auch Israel warnte vor der iranischen Atombombe und deutete die Möglichkeit eines Militärschlags gegen iranische Atomanlagen an. Nur Mohammed al-Baradei beschwichtigte. Der Chef der Internationalen Atombehörde (IAEA) sagte der Washington Post, seine Behörde habe bislang keine Anzeichen für den Bau von Atombomben in Iran entdecken können.

Seit zwei Jahren versuchen die EU-Staaten Deutschland, Frankreich und Großbritannien im Streit um das iranische Atomprogramm zu vermitteln. Die vorerst letzte Runde der Verhandlungen vorige Woche in Genf endete abermals ergebnislos.

Das EU-Trio bot an, dem Iran bei der Beschaffung eines Leichtwasserreaktors behilflich zu sein, der über ein wesentlich geringeres Potenzial für eine militärische Umwidmung verfügt als ein Schwerwasserreaktor. Teheran sollte im Gegenzug der dauerhaften Aussetzung der Urananreicherung zustimmen. „Wir begrüßen das Angebot, aber es wird den Schwerwasserreaktor in keinem Fall ersetzen“, sagte Irans Außenamtssprecher Hamid Resa Assefi. Damit nicht genug. Sein Land wolle in den kommenden Jahren zu einem Hauptlieferanten von nuklearem Brennmaterial werden, fügte Assefi hinzu.

Dem deutschen Außenminister platzte der Kragen. „Für mich ist klar, wenn die Gespräche kollabieren, dann wäre das ein Fall für den UN-Sicherheitsrat“, sagte Fischer am Sonntag bei der Sicherheitskonferenz in München. Der Iran solle sich nicht verrechnen. Ein nukleares Wettrüsten im Mittleren Osten wäre ein „Albtraum“. Fischer plädierte für eine gemeinsame Strategie von EU und USA. Doch die USA weigern sich, an den Verhandlungen teilzunehmen. Ihr Ziel ist, der EU ihren harten Kurs aufzuzwingen.

Die US-Regierung stand von Anbeginn den Vermittlungsversuchen der EU ablehnend gegenüber. Nicht nur weil sie davon überzeugt ist, dass der Iran schon seit Jahren an dem Bau der Atombombe arbeitet. Ein Erfolg der EU würde zum einen den politischen und vor allem den wirtschaftlichen Einfluss der EU im Nahen und Mittleren Osten erheblich verstärken und die USA noch mehr isolieren, zum anderen würde ein Erfolg den Nachweis erbringen, dass sich die Konflikte diplomatisch besser lösen lassen als militärisch.

Hinzu kommt, dass der US-Plan, die gesamte Region neu zu ordnen, nicht mit dem Regimewechsel in Afghanistan und Irak beendet ist. Weit wichtiger sind Syrien und Iran. Zwar werden die USA wohl im Augenblick keine weiteren Abenteuer wagen, doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

Die Europäer haben einen großen Fehler begangen, indem sie die Latte zu hoch gehängt und vom Iran die dauerhafte Aussetzung der Urananreicherung verlangt haben. Damit sprechen sie dem Land ein Recht ab, das jedem Mitglied von NVV (siehe Kasten) zusteht. Natürlich wäre die Atombombe in der Hand der Mullahs eine grauenhafte Vorstellung. Und einiges deutet darauf hin, dass der Iran, trotz ständiger Beteuerungen, die Atomenergie nur friedlich nutzen zu wollen (siehe Interview), an dem Bau der Bombe arbeitet. Bewiesen ist es aber noch nicht.

Umso mehr pocht der Iran auf sein Recht der Weiterentwicklung der Atomtechnologie, die inzwischen zu einem nationalen Prestigeobjekt geworden ist. Sämtliche Fraktionen von Konservativen bis zu Reformern bestehen auf die Fortführung des Programms. Das Parlament debattiert in diesen Tagen über eine Vorlage, die die Regierung auffordern soll, die Urananreicherung sofort wieder aufzunehmen.

Sollte die Staatsführung hier einen Rückzieher machen, würde sie bei ihrer Basis, die inzwischen ohnehin auf höchstens zehn Prozent der Bevölkerung geschrumpft ist, einen erheblichen Vertrauensverlust riskieren. Allem Anschein nach will sie dieses Risiko nicht eingehen. Tut sie es nicht, geraten die EU-Staaten zwangsläufig in das Fahrwasser der USA und müssen Sanktionen und vielleicht auch noch militärischen Maßnahmen zustimmen.

Aber die Gefahr, die vom Iran ausgeht, besteht nicht allein in seinem Atomprogramm. Es geht um die Rolle Irans im Nahostkonflikt, im Irak und in Afghanistan, es geht auch um die Unterstützung des Terrorismus und nicht zuletzt um die eklatante und permanente Verletzung der Menschenrechte. Ein massiver Druck auf diesen Gebieten bei gleichzeitiger Verschärfung der Kontrollen wäre weit effektiver als die Forderung nach Verzicht auf Urananreicherung.