Hubbard macht Schule

WERBEKAMPAGNE Die Hamburger Scientology-Kirche verschickt derzeit Briefe an Schulen. Darin lädt sie Religionsklassen zu einem Besuch ein. Die Innenbehörde ist alarmiert

„Es geht Scientology darum, Menschen abhängig zu machen und auszunutzen“

URSULA CABERTA, INNENBEHÖRDE

VON UTA GENSICHEN

Die Arbeitsgruppe Scientology der Hamburger Innenbehörde warnt derzeit vor einer massiven Werbekampagne der Scientology Organisation an Schulen. Ziel der Kampagne sei es demnach, die verfassungsfeindliche Lehre der Scientologen in den Religions- und Ethikunterricht einzubringen.

Vor rund zwei Wochen hatten die ersten Briefe Schulen in Hamburg und Umgebung erreicht, sagt Ursula Caberta, Leiterin der Arbeitsgruppe. Darin bitte die Organisation um ein Gespräch und biete Klassen den Besuch in der Scientology-Zentrale sowie Informationsmaterial an. „Das Ziel ist immer dasselbe“, sagt Caberta. Über das Bildungssystem wolle Scientology an die Menschen herankommen. Es ginge der Organisation vor allem darum, Menschen abhängig zu machen und wirtschaftlich auszunutzen. Mit Religion und Kirche habe das nicht zu tun.

Caberta warnt davor, auf das Angebot einzugehen: „Andere verfassungsfeindliche Institutionen werden doch auch nicht in Schulen eingeladen.“ Neu an der Kampagne sei, dass Scientology in die Öffentlichkeit gehe, ohne sich hinter dem Namen einer Unterorganisation zu verstecken. „Seit langer Zeit tritt sie mal wieder mit offenem Visier auf“, sagt Caberta.

In Norddeutschland aktive Initiativen der Scientologen seien etwa „Jugend für Menschenrechte“ und „Sag Nein zu Drogen – Sag Ja zum Leben“. Diese Gruppen haben in den vergangenen Jahren von Hamburg aus durch Broschüren und Kundgebungen auf sich aufmerksam gemacht. Eine direkte Verbindung zur Scientology-Kirche ist in den Veröffentlichungen auf Anhieb nicht erkennbar. So harmlos sich deren Inhalte zunächst anhörten, man dürfe nicht vergessen, wer sich damit tarnt, sagt Caberta.

Die Scientology Kirche Hamburg wirft indes der Innenbehörde vor, in die Meinungsfreiheit einzugreifen. „Das ist ein Indikator für den Versuch der staatlichen Bevormundung“, sagt Pressesprecher Frank Busch. Mit der Schulkampagne mache die Organisation allein von ihrem Recht der freien Meinungsäußerung Gebrauch. Das Angebot an die Schüler, die Schriften des Scientology-Erfinders L. Ron Hubbard kostenfrei zu nutzen, diene demnach ausschließlich der Meinungsbildung. „Schließlich schaut jeder Schüler ja auch in die Bibel, um dann darüber zu sprechen“, sagt Busch.

Diese scheinbar wissenschaftliche Begründung könnte laut Verfassungsschutz allerdings der Versuch sein, jugendliche Mitglieder zu werben. Dem aktuellen Bericht zufolge ist die aus rund 700 Mitgliedern bestehende Hamburger Organisation überaltert. Bis auf die Kinder von Scientologen fehle es der hiesigen Kirche an Nachwuchs. Mithilfe von unauffälligen Jugendinitiativen oder dem direkten Weg in die Schulen hoffen die Scientologen darauf, den Mitgliederschwund aufhalten zu können.

Im Juni 1997 hatten sich die Innenminister des Bundes und der Länder (IMK) darauf geeinigt, Scientology durch den Verfassungsschutz beobachten zu lassen. Demnach ginge aus den Schriften der Organisation hervor, dass zentrale Verfassungswerte wie die Menschenwürde und das Recht auf Gleichbehandlung außer Kraft oder eingeschränkt werden sollten.