Potenziell gefährlich

ELEKTRONISCHE GESUNDHEITSKARTE FDP, Linke und Teile der Ärzteschaft kämpfen weiter gegen ihre Einführung. In Bremen kommt sie frühestens 2010, zu welchem Preis ist unklar

„Wo es große Datensammlungen gibt, da besteht auch Gefahr“, sagt die bremische Datenschützerin

VON JAN ZIER

Eingeführt werden sollte sie schon 2006 und Bremen sollte sie als einer der Ersten bekommen, schon in der Testphase: Die Elektronische Gesundheitskarte (eGK). Jetzt wird ab Oktober in Nordrhein getestet – und Bremen bekommt sie „frühestens Anfang 2010“. Davon geht derzeit der Senat aus, in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP. Ein genauer Zeitpunkt ist noch nicht absehbar.

Die elektronische Gesundheitskarte soll die bisherige Krankenkassenkarte ersetzen. Sie enthält Bild und Adresse des Versicherten. Missbrauch soll durch eine PIN wie bei Bankkarten erschwert werden. Die Karte kann später um Notfalldaten, Patientenakten und elektronische Rezepte erweitert werden. Die eGK wurde bereits 2003 beschlossen, ihre Einführung aber mehrfach verschoben.

In Bremen haben sich zahlreiche Ärzteverbände gegen die eGK in ihrer gegenwärtigen Form positioniert, dazu die Apotheker- und Psychotherapeutenkammer. Und auch FDP und Linkspartei machen sich jetzt gegen sie stark.

Das Gesundheitsressort sieht zwar „grundsätzlich einen Nutzen“ für die medizinische Versorgung der PatientInnen. So ganz konkret benennen kann sie ihn aber nicht. Konkrete Einspareffekte könnten jedenfalls noch nicht benannt werden. „Wichtige Gesundheitsdaten werden rascher verfügbar sein“, heißt es allgemein, außerdem würde im Vergleich zur aktuellen Versichertenkarte der Datenschutz „erheblich optimiert“.

Das genau ist strittig. Die FDP findet die eGK datenschutzrechtlich „höchst bedenklich“: Große Datenmengen schafften große Begehrlichkeiten. Ähnliches ist aus der Linkspartei zu hören.

„Die Sicherheitsarchitektur ist gesetzlich besonders vorbildlich geregelt“, sagt dazu Kendra Hofmann vom Landesamt für Datenschutz. So sei es zu begrüßen, dass die PatientInnen einsehen könnten, was ÄrztInnen über sie speicherten. Außerdem behielten sie die Verfügungsgewalt über ihre Daten. Was aber nicht heißt, dass Hofmann die eGK unbedenklich findet: Gesetze könnten schließlich geändert werden, etwa zugunsten der Terroristenabwehr oder auf Druck von Arbeitgebern oder Versicherungen. „Wo es große Datensammlungen gibt, da besteht auch Gefahr“, sagt Hofmann.

Und um den – zweifellos vorhandenen – Missbrauch mit den derzeitigen Karten einzudämmen, brauche es die eGK auch nicht. Zumal einige Probleme noch ungelöst sind: Die der „multimorbiden“ Personen etwa, die besonders viele sensible Daten aufweisen, aber ihr Einsichtsrecht möglicherweise gar nicht mehr selbständig wahrnehmen können.

Strittig ist auch die Frage der Kosten. Linksfraktionschef Peter Erlanson schätzt sie bundesweit auf „mindestens 1,6 Milliarden Euro“. Es gibt Experten, die schätzen, dass den Kassen binnen zehn Jahren ein Nettonutzen von fünf Milliarden Euro zuwächst, während ÄrztInnen und Apotheken zugleich 3,5 Milliarden Euro Verlust machen.

Die Bremer Kassen können derzeit noch nicht beziffern, welche Kosten ihnen mit Einführung der eGK entstehen, auch die Bremer Ärztekammer hält sich mit Schätzungen derzeit zurück. In Nordrhein kostet laut Kassenärztlicher Vereinigung allein ein stationäres Kartenlesegerät 430 Euro, dessen Installation noch mal bis zu 500 Euro je Praxis, der Onlinebetrieb durchschnitlich 25 Euro je Monat. Die Ärzte fürchten zudem, „mehr und mehr“ zur Servicestelle der eGK zu werden. Die PatientInnen, sagt der Senat, stehen Umfragen zufolge der eGK „durchaus positiv gegenüber“.