NEBENSACHEN AUS ROM VON MICHAEL BRAUN
: Das Berlusconi-Fernsehen übt sich im Blackout

Auch Italiens Staatssender folgt brav der Linie des Regierungschefs. Schliesslich besetzt der die Posten

Ein Premier, der schon über seinen Rücktritt nachdenkt, der wissen lässt, er könne auch gut ohne sein Amt leben – gleich im dritten Beitrag beschäftigten sich am Samstagmittag die Nachrichten auf Italiens Staatssender RAI 2 mit den Untiefen der Politik und ihren Folgen für die persönliche Karriere des Regierungschefs.

Das ist an sich nicht überraschend: Schließlich muss Silvio Berlusconi sich seit schon fast zwei Monaten gegen unschöne Vorwürfe verteidigen, er habe ein allzu ausschweifendes Party- und Nachtleben geführt, mit minderjährigen Mädels genauso wie mit Callgirls.

Doch dann reibt sich der Zuschauer erstaunt die Augen: Auf RAI 2 geht es gar nicht um Berlusconi, sondern um Gordon Brown, der fernab in London regiert. Über Silvio, über die letzten Entwicklungen der Ermittlungen in Bari, wo immer neue Mädchen auspacken, fällt während der ganzen Sendung kein einziges Wort. Ihm gegenüber pflegen die Nachrichtenredakteure des italienischen Fernsehens eine geradezu britische Zurückhaltung. Und eine halbe Stunde später wiederholt sich auf RAI 1 der Blackout.

Vier Tage schon reden Italiens Zeitungen über die neuen Enthüllungen aus dem apulischen Bari. Kein Thema für die Staatsnachrichten: Ihr einziger Beitrag in vier Tagen drehte sich um die angeblich zweifelhafte Glaubwürdigkeit eines Callgirls, das über seine Nacht mit Berlusconi plaudert – ohne dass die Zuschauer je erfahren hätten, was sie eigentlich behauptet.

Kein Wunder: Bei RAI 1 ist der dem Regierungschef in tiefer Verehrung ergebene Augusto Minzolini Nachrichtenchef, vor wenigen Wochen erst eingesetzt – und ausgesucht von Berlusconi höchstpersönlich. Was totale Medienmacht bedeutet, können die Italiener jetzt studieren. Ihr Fernsehen mutiert zur Fälscherwerkstatt, die Sender Berlusconis sowieso – und mit ihnen die staatliche RAI.

Als Vizechefin unter Minzolini ist nicht umsonst Susanna Petruni im Gespräch. Sie fiel schon in Berlusconis Regierungsjahren 2001 bis 2006 mit Leistungen auf, die sie heute für höhere Ämter qualifizieren. Als Berlusconi damals vor der UN-Vollversammlung sprach, vor einem gähnend leeren Saal, wusste Petruni Abhilfe. Sie kramte Bilder aus dem Archiv, mit einem proppevollen UNO-Saal, und schnitt die Aufnahmen einfach in die Berlusconi-Rede. Jetzt geht es allerdings mehr ums Rausschneiden, aber auch da kennt Petruni sich bestens aus: Berlusconis legendäre Nummer vor dem Europaparlament im Jahr 2003, als er den deutschen EP-Abgeordneten Martin Schulz zum „Kapo“ beförderte, wurde in ganz Europa übertragen – bloß auf RAI 1 nicht. Frau Petruni wollte die aussagekräftigen Bilder dem italienischen Publikum einfach nicht zumuten.

Die Beförderung hat Frau Petruni sich also redlich verdient. Und womöglich erweist sie Berlusconi dann einen letzten Dienst. Sollte er tatsächlich unter der Last der Skandale zurücktreten, dann werden die Italiener wohl weltweit als Letzte die unerfreuliche Nachricht erfahren.