fdp, ade
: Arm an Ideen

Verlage lieben reißerische Titel. Sie erhoffen sich davon mehr Aufmerksamkeit und merken gar nicht, dass sie potenzielle Leser irreführen und abschrecken. Das vorliegende Buch bietet dafür ein gutes Beispiel. Fritz Goergen beschreibt nicht den „Skandal FDP“, sondern ihren langsamen und unaufhaltsamen Niedergang zu einer Partei, ohne die Deutschland politisch nicht ärmer wäre.

Kaum einer kennt die FDP seit mehr als 35 Jahren so gut wie der als Fritz Fliszar geborene Österreicher. Unter Hans-Dietrich Genscher war er Bundesgeschäftsführer der kleinen Partei; mehr als dreizehn Jahre hat er die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung geleitet. Für Jürgen Möllemann hat er vor fünf Jahren den erfolgreichen Wahlkampf in NRW gemanagt, nach dem die FDP von 4 auf fast 10 Prozent zulegte. Spätestens seit diesem Erfolg spielt er als strategischer Politik- und Kommunikationsberater in einer Liga mit Profis wie Peter Radunski von der CDU oder Matthias Machnig von der SPD.

Goergen erfand die „Strategie 18“, mit der er die FDP als kleine Volkspartei etablieren wollte und die, wie er schreibt, von führenden Politikern der Partei weder verstanden wurde noch gewollt war. Ralf Dahrendorf nannte ihn einmal einen „radikalen Liberalen“.

Im vergangenen Bundestagswahlkampf fungierte Goergen, ein dunkles Kapitel, als Geldbote zwischen Liechtenstein und Möllemann, wobei es offen, aber auch unerheblich ist, wem er damit eher einen Gefallen tun wollte: dem Spender aus dem Morgen- oder dem Empfänger aus dem Münsterlande.

Vor gut zwei Jahren hat Goergen radikal mit der FDP gebrochen. Davor hat er Möllemann und Westerwelle beraten. Jetzt rechnet er ab, kein Zweifel. Wäre es nur das und nicht mehr, man müsste das Buch nicht einmal ignorieren. Aber es verdient aus zwei Gründen politische Aufmerksamkeit, ganz unabhängig von der kleinen Partei, um die es vordergründig geht.

Das Buch beschreibt die personelle und konzeptionelle Schrumpfung der FDP von Dehler und Dahrendorf bis hin zu Westerwelle, von einer Programm- zu einer Klientelpartei: arm an Ideen, reich an Aufsichtsräten. „Die den markanten und bunten Charakteren folgten, wirken, wie sie sind: beliebig und grau. Möllemann & Westerwelle verband der Drang zur Macht. Ideenpolitisch verband sie nichts, trennte sie aber genauso wenig. Damit waren und sind sie repräsentativ für die FDP.“ Das Buch bietet Röntgenaufnahmen der Interna des Politikbetriebs – nicht nur in der FDP.

Wichtig ist es aber auch aus einem anderen Grund, mit Blick auf die Regierungsoptionen der Zukunft. Bis in die jüngste Zeit hinein war die FDP in zweifacher Weise notwendig für eine Koalition: zur Mehrheit und als Korrektiv, sei es gegen den Klerikalismus der CDU/CSU in den 1950er-, sei es gegen den Jungsozialismus innerhalb der SPD in den 1970er-Jahren. In beiden Fällen hat die FDP Mehrheiten gemacht und Mehrheiten beruhigt. Davon kann heute und morgen keine Rede mehr sein. Die FDP bringt keine Mehrheiten mehr. Sie kompensiert nicht, sie verstärkt die Defizite der CDU, so wie Westerwelle die Zweifel an Angela Merkel nicht zerstreut, sondern verstärkt. Wozu braucht man, braucht die Union dann aber noch die FDP?

Es gab einmal Zeiten, da war die FDP durchaus so etwas wie das Salz einer Regierung. Wenn aber das Salz schal wird, dann taugt es zu nichts mehr. Andere Perspektiven rücken näher: eine nicht mehr ganz so große Koalition zwischen CDU, CSU und SPD und eine konzeptionell und numerisch starke Opposition namens Bündnis 90/Die Grünen. Diese Konstellation als ein transitorischer, nicht als ein Dauerzustand wäre alles andere als ein „Skandal“, sondern der letzte Beitrag der FDP zu einer Auflockerung der politischen Landschaft. WARNFRIED DETTLING

Fritz Goergen: „Skandal FDP. Selbstdarsteller und Geschäftemacher zerstören eine politische Idee“. BrunoMedia Buchverlag, Köln 2004, 287 Seiten, 19,80 Euro