Plastikkrokodile für Cäsar

Bilderreiches Spektakel ohne tieferen Sinn: Karoline Grubers Neuinszenierung von Händels „Giulio Cesare in Egitto“ an der Staatsoper

von Dagmar Penzlin

Oper als Streifzug durch die schillernd-schaurige Medienwelt: Cäsar, der berühmte Feldherr, trägt ein weißes Feinripp-Unterhemd unter der Bomberjacke und einen hippen Backenbart – er sieht aus wie die smarten Models der Werbekampagnen für Herrenparfum. Kleopatra wechselt ständig ihr Outfit und würde sich in jeder Girlgroup gut machen. Ihr durchgeknallter Bruder Ptolemaios, zwischenzeitlich Herrscher über Ägypten, stöckelt als Edel-Drag-Queen über die Bühne, sein militärischer Berater erinnert sehr an Lenny Kravitz. Und Schnappi- Plastikkrokodile krabbeln herum, wenn‘s für Cäsar brenzlig wird.

Regisseurin Karoline Gruber spielt fleißig mit Typen und Versatzstücken – bekannt aus Film, Funk und Fernsehen. Einen tieferen Sinn offenbart dieses Zitate-Feuerwerk allerdings nicht: Die Neuproduktion von Händels Giulio Cesare in Egitto an der Hamburgischen Staatsoper bleibt so als bizarres, trotzdem merkwürdig glattes Kaleidoskop der erotischen und politischen Machtkämpfe in Erinnerung.

Die Romanze zwischen Julius Cäsar und Kleopatra ist historisch verbürgt. Händels Opernfassung verknüpft die Liebesgeschichte theaterwirksam mit dem machtpolitischen Zwist zwischen Kleopatra und ihrem Bruder Ptolemaios. Zunächst verführt die schöne Ägypterin Cäsar, um ihn auf ihre Seite zu ziehen. Doch dann verlieben sich die beiden wirklich. Nach allerlei Intrigen und Kämpfen gibt es ein Happy End. Das verweigert Karoline Gruber allerdings konsequent. Mag das Liebesduett noch so innig die Stimmen zusammenführen – in Grubers Inszenierung hockt Cäsar nach all dem Kriegsterror ausgelaugt herum, während Kleopatra sich verstört an ihre eigenen Knie klammert und ins Leere starrt. Natürlich wäre die Situation so denkbar, aber Grubers Version stemmt sich schlicht gegen die Musik.

Überhaupt gewinnt man im Laufe der Aufführung immer wieder den Eindruck, dass die Regisseurin der Musik nicht traut. Oder dem Publikum. Viel Aktionismus bestimmt das Bühnengeschehen, als ob die Barockarien die Zuhörer zu schnell langweilen könnten. Während Kleopatra ihren Bruder zum Beispiel singend verspottet, albern Ptolemaios‘ Mannen, lächerliche Gestalten in Bermuda-Shorts und mit Schwimmflügeln, mit ihrem Chef herum. Nicht die einzigen leeren Gags dieser Inszenierung.

Es gibt aber auch Szenen, die durch genaue Charakterisierung beeindrucken. So zeigt Gruber Ptolemaios als Psychopathen. Für ihn ist der Machtkampf um Ägypten eine weitere Möglichkeit, seine sadistischen Triebe auszuleben. Da wundert es nicht, dass sein Harem ein schmuddeliger Plastikkerker mit blutverschmierten Wänden ist: darin eine Schar traumatisierter Blondinen.

Martin Wölfel als Ptolemaios überzeugt vor allem darstellerisch: Völlig irre klatscht er über neue Grausamkeiten und weidet sich an der Angst seiner Opfer. Wölfels Countertenor klang am Premierenabend allerdings dünn und wenig gefährlich. Mehr zu bieten hatten die Sängerinnen. In der Titelpartie, einer Hosenrolle, erlaubte die Amerikanerin Kate Aldrich tiefe Einblicke in die Seele Cäsars. Koloratursicher und expressiv auch Aleksandra Kurzak als Kleopatra.

Musikalisch zusammengehalten wird die Aufführung von Alessandro De Marchi. Die Mitglieder des Philharmonischen Staatsorchesters und einige Barockspezialisten sorgen für einen geschmeidig pulsierenden Händel-Sound. Manches geriet am Premierenabend allerdings ein wenig unpräzise und glatt.

Insgesamt eine Neuproduktion, die man nicht unbedingt erlebt haben muss. Wenn man Karoline Gruber at her best erleben möchte, dann schaue man sich lieber ihre Hamburger Inszenierung von Monteverdis L‘Incoronazione di Poppea an.

Weitere Vorstellungen: 20., 24. + 27. 2., 19 Uhr; Hamburgische Staatsoper