Wogende Wolken und Wellen

Mit „Como pasan las horas“ (Forum) versucht die argentinische Regisseurin Inés de Oliveira Cézar, dem Formlosen des Alltags eine Form zu geben.

Bei abstrakten Überlegungen, das Vergehen von Zeit in Bilder zu fassen, stellen sich oft Stereotype ein: das Wogen von Wasseroberflächen, das Fallen von Laub, am Firmament ziehende Wolken und mehr. Serielle Vorgänge, ewig gleich, und doch niemals identisch. Dennoch reichen sie kaum aus für die „abendfüllende“ Illustration dieser unbekannten Größe namens Zeit.

Die argentinische Regisseurin Inés de Oliveira Cézar stellt sich genau diesem Phänomen: „Wie die Stunden vergehen“ lautet, frei übersetzt, der Titel ihres zweiten Films. Auch sie operiert mit Bildfolgen, die der Einfachheit halber gleich am Meer spielen: Hier gibt es Wasser und Sand, Himmel mit Wolken sowieso. Komplementär zu diesen elementaren Kategorien installiert sie eine vage Familiengeschichte: ein Vater will mit seinem kleinen Sohn den Tag am Strand verbringen, während seine Frau ihre Mutter für einen Tag aus dem Heim holt. Vater und Sohn verbringen eine schöne Zeit am Strand, scherzen, gewinnen das Vertrauen von zwei Fischern, fangen mit deren Hilfe einen Fisch. Parallel dazu die Mutter des Vierjährigen mit ihrer verwirrten Mutter, Wein trinkend. Dann geschieht doch noch etwas Ungeheuerliches: Der Vater des Knaben am Strand wacht nach einer Siesta nicht mehr auf. Sein Kind hütet den leblosen Körper bis in die Nacht hinein. Bis die Fischer vom Fang zurückkehren und die Polizei benachrichtigen.

Inés de Oliveira Cézar setzt von Beginn an eindeutige Zeichen. Bewusst aus der Justierung gedrehte Vorsatzobjektive führen zu Verzerrungen und Unschärfen, die an Effekte des Russen Sokurow erinnern. Anders als ihre Landsmännin Lucrecia Marton in „La Ciénaga“ verweigert sie aber jede gesellschaftlich konkrete Rückkoppelung, die aus der gezeigten Agonie hätte folgen können. Letztlich erscheint es gewinnbringender, ohne Umwege in die Wolken oder auf die Wellen zu blicken und sich im Kopf die eigenen Filme zu entwickeln. CLAUS LÖSER

„Como pasan las horas“, 19. 2., 19 Uhr, Delphi; 20. 2., 17 Uhr, Babylon