Ein Macher mit dubioser Vergangenheit

Der als Mitorganisator des Contra-Krieges und des Irakkrieges bekannte John Negroponte wird neuer Geheimdienstkoordinator der USA. Er soll die verschiedenen Dienste zusammenführen und besser vernetzen

AUS WASHINGTON MICHAEL STRECK

Er thront fortan über allen US-amerikanischen Geheimdiensten und kontrolliert ein Budget von 40 Milliarden Dollar: John D. Negroponte wurde am Donnerstag von Präsident Bush auf den neu geschaffenen Posten des Geheimdienstkoordinators berufen. Er steigt damit in der US-Hauptstadt zum wichtigsten Mann im Antiterrorkampf auf.

Die Wahl kam überraschend. Der 65-Jährige war zuletzt Botschafter im Irak, davor bei den Vereinten Nationen. Er ist nicht gerade ein Geheimdienst-Profi, sondern ein Vollblutdiplomat und als solcher eher Konsument von Spionageinformationen. Bei den Spekulationen um die Besetzung des neuen Postens fiel sein Name nie. Im Gespräch waren vielmehr der frühere CIA-Chef Robert M. Gates, der frühere Generalstaatsanwalt William P. Barr und der derzeitige CIA-Chef Porter Goss. Zumindest die Erstgenannten sollen mehrfach gefragt worden sein und abgelehnt haben. Letztlich dürften dann Negropontes Nähe zum Präsidenten und seine Loyalität ausschlaggebend gewesen sein. Eine umstrittene Vergangenheit hat Bush bislang selten gestört.

Anfang der Achtzigerjahre war Negroponte US-Botschafter in Honduras. Dort spielte er eine dubiose Rolle bei der Unterstützung der Contras gegen die sandinistische Regierung im Nachbarland Nicaragua. Kaum zu glauben ist bis heute, dass er über die Geheimoperationen von CIA und Pentagon nichts wusste und über Menschenrechtsverletzungen der Contras nicht im Bilde war. Die Kritik an seiner Person verzögerte seine Bestätigung als UN-Botschafter um ein halbes Jahr. Manche in Washington meinen jedoch, dass es genau solche Erfahrungen von damals – vor allem die Grenzen US-amerikanischen Einflusses – sind, die für die neue Position notwenig sind.

Seine wohl vorerst dringlichste Aufgabe wird sein, die Glaubwürdigkeit der US-Geheimdienste wieder herzustellen. Die dramatischen Fehler der US-Geheimdienste, einschließlich ihrer Unfähigkeit, die Terrorangriffe vom 11. September zu vereiteln, führten später zu einer Reihe parlamentarischer Untersuchungen. Die wichtigste, die „9/11“-Kommission, kam zu der Erkenntnis, dass vor allem die Kommunikation zwischen den verschiedenen Geheimdienst-Behörden massiv gestört ist. Sie empfahl, diese zu reorganisieren und einen zentralen Geheimdienstchef einzusetzen, bei dem alle Fäden zusammenlaufen.

Er soll künftig den Präsidenten täglich über die Geheimdienstarbeit unterrichten. Er wird den Aufbau eines neuen „Nationalen Anti-Terror-Zentrums“ überwachen, das die Arbeit der 150 Einzeldienste verknüpfen soll. Außerdem soll er entscheiden, ob mehr Geld und Mühen in High-Tech-Ausrüstung fließen oder dem „menschlichen Faktor“, dem Einsatz von Spionen vor Ort, wieder eine größere Bedeutung zukommt, und ob es mehr um Informationsbeschaffung oder um Geheimoperationen gehen soll.

Doch die Aufgabe birgt reichlich Fallstricke. Die vom Kongress verabschiedeten Geheimdienstgesetze sind vage formuliert, die Befugnisse des neuen Direktors nicht eindeutig definiert und sein Macht ist dank massiven Drucks vonseiten der CIA und des Pentagons längst nicht so umfassend wie von der 9/11-Kommission vorgesehen. Theoretisch verfügt er über die Autorität, das Geheimdienst-Budget gemäß seinen Prioritäten einzusetzen. Wie die Praxis aussieht, bleibt abzuwarten. Rund 80 Prozent dieses Geldes werden vom Pentagon kontrolliert. Dort regt sich heftiger Widerstand: Jeder Einfluss von außen, so das Credo im Verteidigungsministerium, könne die militärische Schlagkraft negativ beeinflussen.

Kritiker argumentieren ohnehin, der neue Posten sei überflüssig. Er schaffe eine zusätzliche Bürokratie, schwäche die bestehenden Dienste und eröffne die Möglichkeit, dass Geheimdienstinformationen für politische Zwecke gefiltert und missbraucht würden.

So wartet auf Negroponte eine Herkulesaufgabe. Ein „wenig beneidenswerter Job“, wie ein Senator formulierte. „Sein Erfolg wird geheim bleiben, all seine Fehler jedoch werden öffentlich.“

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