Nazis sollen sich versammeln – anderswo

Koalition und Union streiten in Hinblick auf Berliner NPD-Demo über Versammlungsrecht – und nähern sich an

BERLIN taz ■ NPD-Anhänger sollen den 60. Jahrestag des Kriegsendes nicht für einen Aufmarsch mitten in der Hauptstadt nutzen. Darüber sind sich die Parteien in Bundestag und Bundesrat einig. Strittig blieb gestern, wie die geplante Demo an Brandenburger Tor und Holocaust-Mahnmahl verhindert werden soll. Und: ob Gesetzesänderungen Rechtsextreme generell von „sensiblen Orten“ fern halten könnten.

Die Koalitionsfraktionen reichten zwei Gesetzesentwürfe in den Bundestag ein, die das Versammlungsrecht verschärfen würden. Die Gesetze sollen ein Verbot von rechtsextremen Demos an Gedenkstätten ermöglichen, wenn die Würde der Opfer dadurch missachtet würde. Nicht mehr in dem Entwurf enthalten ist der eine Woche alte Vorschlag von Bundesinnenminister Otto Schily und Justizministerin Brigitte Zypries (beide SPD), der die öffentliche „Verharmlosung“ von Nazi-Verbrechen unter Strafe stellen sollte. Die Formulierung wäre nicht genau genug gewesen, heißt es.

Die Union beharrte indes auf ihrem berlinbezogenen Vorschlag, den „befriedeten Bezirk“ (zu Bonner Zeiten: Bannmeile) um den Reichstag auf das Mahnmal und das Brandenburger Tor auszuweiten. Ein Gesetz noch vor der Demo am 8. Mai ist trotzdem wahrscheinlicher geworden, denn SPD und Union bekundeten ihren Willen zur Einigung. So ging Schily überraschend auf die Union zu. „Da muss man nicht gleich abwehren.“ Der Vorschlag würde jedoch „das Problem nicht vollständig erfassen“, so der Innenminister.

Auch der CDU-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach zeigte sich kompromissbereit: „Wir werden den Gesetzentwurf der Koalition wohlwollend prüfen.“ Seiner Fraktion sei es allerdings wichtig, die NPD nicht nur vom Holocaust-Denkmal, sondern auch vom Brandenburger Tor fern zu halten. Das „Symbol für die Wiedervereinigung Deutschlands“ dürfe Rechtsextremisten nicht als „medienwirksame Kulisse für unappetitliche Aufzüge“ zur Verfügung stehen, so Bosbach.

Die Koalitionsfraktionen wehrten den Unionsvorstoß trotz Schilys Angebot erneut ab. Dieter Wiefelspütz (SPD) sagte, dem Vorschlag stehe „die Verfassungswidrigkeit auf die Stirn geschrieben“. Grünen-Fraktionsvize Christian Ströbele argumentierte, das Brandenburger Tor dürfe nicht generell zur „demonstrationsfreien Zone“ erklärt werden. Es sei einer der wichtigsten Orte für Demos.

Einigt sich der Bundestag in der kommenden Woche, könnte im März das Gesetz durch den Bundesrat gehen. Doch auch dort war man sich gestern nicht einig. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) warb dafür, dass die Ländern jene Orte festlegen sollen, an denen Demos grundsätzlich verboten sind. Erwin Huber von der CSU sprach sich für die Ausweitung der Berliner Bannmeile aus. SASCHA TEGTMEIER