Lebendiger als in der Fankurve

Obst, Wurst, Käse oder geräucherter Aal – alles muss weg! Mit lauter Stimme und derben Sprüchen bieten die Marktschreier des Hamburger Fischmarktes am Kölner Südstadion ihre Waren feil

VON CHRISTIANE MARTIN

„Hier Paprika aus Afrika. Ein paar Trauben! Zack, Äpfel dazu! Und weil du‘s bist, auch noch eine Ananas“, brüllt Bananen-Fred quer über den Platz am Kölner Südstadion. Ihn übertönt so schnell keiner. Kein Wunder: Der bullige Mann ist ein echter Profi im Feilbieten von Waren. Vor fünf Jahren gewann er die deutschen Meisterschaften in dieser Disziplin. „Meine Stimme kommt aus dem Bauch“, erklärt der 33-jährige Marktschreier sein Erfolgsrezept.

Seit achtzehn Jahren arbeitet Bananen-Fred jetzt schon als Marktverkäufer. Zuerst pries er auf dem legendären Fischmarkt in Hamburg-Altona Erdbeeren, Äpfel, Orangen und andere Früchte an. Seit zehn Jahren tourt er nun mit rund dreißig Kollegen durch die gesamte Bundesrepublik und bringt für ein Wochenende hanseatische Stimmung nach Stuttgart, München – oder nach Köln-Zollstock. Und trotz Schneeregens und Temperaturen um den Gefrierpunkt wird Bananen-Fred auch hier seine Obstkörbe für zehn Euro das Stück reißend los.

„Köln geht gut“, lobt Brigitte Karrach den Standort in der Domstadt. Sie gehört zu den Organisatoren des wandernden Marktes – und traut sich auch schon mal, die Marktschreier zur Ordnung zu rufen. „Nicht so laut“, brüllt sie, als Bananen-Fred mal wieder über einen Kollegen herfällt. „Hey Nudel-Fuzzi, die Kölner essen lieber Kartoffeln“ schreit er in Richtung des Nudelmanns. Da mischt sich Aal-Hinnerk ein: „Lass den Nudelmann in Ruhe, der ist mein Freund“. Der Fischverkäufer hat es allerdings auf Wurst-Herby abgesehen und schimpft ihn einen „Schweinemörder“, während der wiederum Schaulustige bedauert, die offensichtlich gerade Käse gekauft haben. „Zeig mal, was du da in deiner Tüte hast!“

Quer über den ganzen Platz spielen sich die Norddeutschen stimmgewaltig die Bälle zu. Das Publikum ist amüsiert und genießt Volksfestatmosphäre. Die Kinder fahren Karussell, die Alten schlürfen schon mal einen Frühschoppen oder der Witterung entsprechend Glühwein.

Miri Kingsgreen und Sascha Benninghaus sind zufällig auf ihrer samstäglichen Einkaufstour am Fischmarkt vorbeigekommen und freuen sich über die Abwechslung. „Eigentlich soll‘s am Wochenende bei uns Pizza geben, aber jetzt gucken wir mal, ob wir nicht doch Fisch kochen“, sagen die Eltern von drei Kindern und ziehen weiter zum Stand mit Meeresspezialitäten. An dem riecht es verlockend nach Geräuchertem.

Der Aal kostet hier drei Euro pro hundert Gramm und ist damit deutlich preiswerter als sonst üblich. Die persönliche Ansprache gibt‘s gratis dazu: „Einen Aal extra für dich, mein Engel! Und noch einen dazu! Mir doch egal! Du musst es ja nach Hause schleppen“, schreit der schmächtige Verkäufer seine Kundin an, die verlegen lächelt. „Das ist schon anders als im Supermarkt“, urteilt Hanna May, die extra aus Rösrath angereist ist. Als Bananen-Fred einen schlüpfrigen Witz erzählt, stößt sie ihren Mann grinsend an. „Wisst ihr, wie die Frau vom Nudel-Fuzzi heißt? Mallorca! Auf der war schon jeder.“ Ballermann lässt grüßen. Das scheint irgendwie dazu zugehören, wenn Deutsche feiern.

Der Atmosphäre scheinen solche Zoten jedenfalls keinen Abbruch zu tun. Im Gegenteil. Bananen-Fred verkauft gerade seinen vierzigsten Obstkorb innerhalb einer Stunde. Es wird nicht der letzte an diesem Tag sein. Trotz des miesen Wetters. Köln scheint wirklich gut zu gehen.