Mit „Ally McBeal“ auf den RTL-Chefsessel

Anke Schäferkordt, bisher Geschäftsführerin bei Vox, wird Vizegeschäftsführerin beim Kölner Privatfernsehriesen

Die neue Vizegeschäftsführerin von RTL, Anke Schäferkordt, ist eines dieser raren Beispiele, die einen fast von der These abbringen könnten, dass Banker nichts mit Fernsehen anzufangen wissen. 1999 wurde aus der Bertelsmann-Betriebswirtin plötzlich die Geschäftsführerin bei Vox, der wenig geliebten kleinen Schwester in der RTL-Familie. „Programmdirektorin in Personalunion“, sagte sie damals, war zu Recht stolz darauf, und nutzte ihre Chance: Der Kanal hing in der Luft, seine Besitzer Bertelsmann und Rupert Murdoch blockierten sich gegenseitig. Und Schäferkordt? Setzte beinahe alles auf eine – Frau: „Ally McBeal“.

Dabei war der vermeintliche Programmschlager made in USA bei Vox gerade nach ganzen acht Folgen mangels Quote in der Schublade verschwunden. Schäferkordt hielt dagegen und plakatierte die halbe Republik mit Ally und dem roten Ball. Der Erfolg kam – und blieb. Zwischenzeitlich schien Vox nur noch aus Ally & Co. zu bestehen. Die neue Chefin nahm es auch hin, selbst als Alter Ego der sympathisch verkorksten Anwältin vermarktet zu werden. Doch genauso schnell schaffte Vox unter Schäferkordts Führung den Abschied von der Frau, der es den anhaltenden Aufstieg zum profitabelsten der „kleinen“ privaten TV-Sender verdankte: Ally ging, Vox blieb oben.

Und das trotz heftiger Niederlagen: „24“, von den Feuilletons als innovativstes Stück Fernsehen seit langem gefeiert, musste Schäferkordt an RTL 2 abgeben, obwohl es viel besser zu Vox gepasst hätte. Genauso wie Vox die vom Hauptsender RTL verantwortete Rundumberichterstattung zu „Deutschland sucht den Superstar“ schlucken musste: Die Highlights liefen beim großen Bruder, die Reste auf Vox.

Für den Dickschädel Schäferkordt zwar ein Ärgernis, aber keine Katastrophe. Sie sei die Einzige, die dem damaligen RTL-Chef Gerhard Zeiler klar die Meinung sage, heißt es in Köln. Die Welt der Stars und Sternchen ficht Schäferkordt dabei nicht an: Sie macht soweit wie nötig mit und hat zum Schluss die Lacher meist auf ihrer Seite.

Unvergessen, wie sie mit dem Deutschland-Chef des RTL-eigenen Werbevermarkters IP bei der Telemesse 2002 „Something Stupid“ sang. Im gleichen Saal hatte kurz zuvor Gerhard Zeiler mit vielen Zahlenkolonnen und dem Charme eines Finanzbeamten seine Durchhalterede für den Marktführer RTL vorgetragen.

Nun ist auch Anke Schäferkordt auch dort angekommen. Geplant war das wohl schon länger und wurde jetzt einfach vorgezogen. Mit dem kleinen Schönheitsfehler, dass, nach dem plötzlichen Abgang des nur kurz an der Spitze von RTL stehenden Marc Conrad, Gerhard Zeiler wieder den Chefsessel einnimmt.

Beim Mutterkonzern Bertelsmann, der extrem vom Ergebnis seiner RTL-Gruppe abhängt, säßen doch nur die Controller auf den Bäumen, wird in der Branche gelästert, Fernsehen habe dort „niemand im Blut“. Wie praktisch, dass Anke Schäferkordt in Personalunion auch Bankerin ist. STEFFEN GRIMBERG