Volk des Friedens auf der Straße

Eine halbe Million Menschen demonstrieren in Rom für die Freilassung der im Irak gekidnappten Journalistin Giuliana Sgrena. Der Protest richtet sich auch gegen Italiens Beteiligung am Krieg

AUS ROM MICHAEL BRAUN

200.000 Menschen hatte die Redaktion des Manifesto erwartet – doch am Ende waren es 500.000, die am Samstag in Rom für die Freilassung der Journalistin Giuliana Sgrena auf die Straße gingen. Die Demonstration brachte wieder das „popolo della pace“, das „Volk des Friedens“ in seiner ganzen Spannbreite zusammen: von katholischen Pfadfindern, Missionaren, Nonnen über die organisierte Linke der Gewerkschaften und Parteien bis zu den No Globals der „Disobbedienti“, der „Ungehorsamen“. Auch die Union der islamischen Gemeinschaften in Italien war vertreten sowie hunderttausende Unorganisierte. Dabei flatterte die Fahne mit dem Che-Konterfei einträchtig neben der grünen Flagge der Muslime.

Allgegenwärtig war die Regenbogenfahne der Friedensbewegung, und zwei Transparente an der Zugspitze drückten aus, was alle einte. Das erste forderte: „Befreit Giuliana – Florence – Hussein“. Auch im Zug tauchten Plakate mit dem Bild der im Irak entführten französischen Libération-Journalistin Florence Aubenas oder mit dem Namen ihres gefangen gehaltenen irakischen Dolmetschers Hussein Hanoun al-Saadi auf. Das zweite Transparent lautete: „Liberiamo la pace“ (Befreien wir den Frieden).

Obwohl auf der Demonstration kaum Sprechchöre gegen die Regierung Berlusconi zu hören waren, ging es der Redaktion des Manifesto wie den Leuten auf der Straße dennoch darum, erneut auch gegen Italiens Verwicklung in den Krieg zu demonstrieren – im Namen Giuliana Sgrenas. Sie hatte in dem Videoappell vom letzten Dienstag gefordert: „Zeigt die Fotos, die ich von den leidenden irakischen Kindern gemacht habe.“ Viele Teilnehmer hatten sich Fotos aus dem Manifesto angepappt. Auf der Schlusskundgebung im Circus Maximus wurden die Aufnahmen auf eine Großleinwand projiziert, Fackeln illuminierten die Wiese mit dem Schriftzug „Freier Irak“. Vertreter des Regierungslagers wurden nicht gesichtet, jedoch war die Mitte-links-Opposition massiv vertreten: Oppositionsführer Romano Prodi, Linksdemokraten-Chef Piero Fassino und Roms Bürgermeister Walter Veltroni demonstrierten mit. Auf der Abschlusskundgebung sprach keiner von ihnen. Dort kamen nur Journalisten und Vertreter der Friedensbewegung zu Wort.

Gabriele Polo, Chefredakteur des Manifesto, schloss die Kundgebung mit dem Appell, gegen den Krieg zu kämpfen „mit Giulianas Argumenten, die unsere Argumente sind. Giuliana, Florence, Hussein, alle Iraker und auch wir selbst sind Opfer der Logik des präventiven Kriegs. Deshalb fordern wir nicht nur die Befreiung der Geiseln, sondern auch das Ende dieses Kriegs, die Ablehnung dieser Kriegslogik.“