LESERINNENBRIEFE
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■ betr.: „Die Linie der Gottlosen“, taz vom 17. 6. 09

Krampfig und humorlos

Wie schade: Atheismus ist also auch keine Option, zumindest dann nicht, wenn seine Vertreter ihre Überzeugungen genauso krampfig und humorlos vor sich her tragen wie ihre christlichen Gegenspieler. Wenn mir mal wieder ein Erleuchteter in missionarischem Eifer das Ohr abkaut oder ein fundamentalistisches Traktätchen durch den Briefschlitz gesteckt wird, fühle ich mich eher geschmeichelt, dass wildfremden Menschen mein Seelenheil offenbar so wichtig ist. Je nach Genervtheitsgrad sind unerwünschte Gesprächsangebote auch mit dem geflunkerten Hinweis, man müsse gerade dringend zu einer schwarzen Messe, einfach abzublocken. Solch eine agnostisch-tolerante Einstellung erzeugt jedenfalls weit weniger Verkniffenheit und fruchtlose Diskussionen als das hier dokumentierte würdelose „Ich hab recht, ich hab recht“-Spiel. FRANK PÖRSCHKE, Hattingen

■ betr.: „Fürsorge durch Aufklärung“, taz vom 20. 6. 09

Unnötiger Beratungszwang

Ich danke allen, die für dieses Gesetz gestimmt haben. Den Ruf nach ärztlichem Beratungszwang finde ich absolut unnötig. Jeder Mensch hat die Möglichkeit, sich von seinem Arzt zu seiner Patientenverfügung beraten zu lassen. Wer dies nicht in Anspruch nimmt und auch sonst meint, sich nicht sorgfältig mit dem Thema befassen zu müssen, muss damit rechnen, dass seine Patientenverfügung, aufgrund mangelhafter Aussagekraft, nicht berücksichtigt wird. Es gibt seit Jahren zahlreiche Beratungsstellen und Vorträge von Betreuungsvereinen, Behörden, Notaren und Pfarrern, die bei der Bearbeitung von Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen behilflich sind. Wer nur etwas Interesse zeigt, wird diese Angebote nicht übersehen können. Mit dem neu entstandenen Gesetz erhält der mündige Bürger das Recht, eigenverantwortlich Entscheidungen über sein Leben und über seinen Tod zu treffen. Diese im Grundgesetz verankerte Entscheidungsfreiheit sollte nicht durch Zwangsberatung wieder ad absurdum geführt werden. Wer zudem aufmerksam Ärzte bei der Visite im Krankenhaus im Umgang mit den Patienten beobachtet, wird häufig feststellen, wie arrogant und abschätzig mit den Fragen und Sorgen der Patienten umgegangen wird. Da muss man sich nicht wundern, wenn dass Vertrauen in die Ärzteschaft nicht zum Besten steht. Wer ein gutes Verhältnis zu seinem Arzt hat, wird sich nicht scheuen, ihn um Rat zu fragen. FRANK DECKER, Dinslaken

■ betr.: „Die Reformer und der böse Wolf“, „Lafontaine lässt zu viel laufen“, Interview mit André Brie, taz vom 20. 6. 09

Popanz aufgebaut

In dem Artikel wird ein Popanz (Oskar Lafontaine) aufgebaut, was der Realität, die ich als langjähriges Mitglied bei den Düsseldorfer Linken bzw. der WASG beobachten konnte, in keiner Weise gerecht wird. Der Name Lafontaine fällt bei Diskussionen äußerst selten, vielmehr ist es so, und dies sollte bei einer linken Partei auch so sein, dass sehr unterschiedliche, auch individuelle Perspektiven vertreten werden. Stefan Reinecke verrät sich mit der Benutzung des Begriffes „Reformer“ für eine Politik der Resignation, wie sie von der Berliner Partei Die Linke unter anderem mit Teilprivatisierung der Wasserwerke und antigewerkschaftlichen Entscheidungen betrieben wurde, als der wirtschaftsliberalen Denkweise nahestehend. Für eine linke Zeitung, für die ich einen „politischen Preis“ bezahle, finde ich das traurig. Herr Brie, der von realer Politik (soll heißen: ohne Visionen – Helmut Schmidt und Maggie Thatcher lassen grüßen) redet, will Die Linke anscheinend zu derselben Entwicklung bringen, wie sie die Grünen seit spätestens Oktober 1998 eingegangen sind. STEPHAN UNGEHEUER, Düsseldorf

■ betr.: „Hausdach statt Wüste“, Kommentar von Bernward Janzing, taz vom 17. 6. 09

Seit 30 Jahren bekannt

Wie die Erlösung aller Energieprobleme fiel an einem Tag im Juni die Ankündigung des Sahara-Wüstenstroms vom Himmel. Das ist zwar alles schon seit 30 Jahren bekannt, aber jetzt haben sich Banken und Konzerne auf 400 Milliarden Euro Kosten geeinigt und (fast) alle Medien sind begeistert. Greenpeace hat rein zufällig vor kurzem eine unterstützende Studie veröffentlicht und bekommt jetzt von RWE, Siemens, Deutscher Bank und den anderen neugrünen Großunternehmen wohl Zugang zum Club.

Aber nicht nur der taz kommen Bedenken: Machbarkeit, politische Instabilität Afrikas, Abhängigkeiten wie von Opec und Putin, ein Stromkartell, das uns die Preise diktiert. Auch Schneller Brüter, WAA, Transrapid und wohl auch Iter waren solche Großprojekte, teuer gestartet und dann gescheitert. Vierhundert Milliarden Euro in Europa in dezentrale Energieversorgung gesteckt, was könnte in kürzester Zeit damit alles erreicht werden! Allerdings hat dann das Wüstenstromkonsortium nichts davon. Die gesamte Branche der erneuerbaren Energien in Deutschland sollte sich die Konsequenzen dieses Projektes schnellstens klar machen, bevor die Subventionen in die falschen Taschen fließen und die Insolvenzen drohen. Greenpeace wird dann auch nicht mehr helfen. JÜRGEN HÖLZINGER, Berlin