Die Schweigen bekämpft

Sie ist eine geschiedene Frau. Eine, die selbst erfahren musste, was häusliche Gewalt bedeutet, und eine, die aus Scham lange zögerte, darüber öffentlich zu sprechen. Doch genau dies will sie nun tun als frisch gewählte Präsidentin von NOW, der National Organisation for Women. „Denn Schweigen bedeutet, den Missbrauch fortzuführen“, sagte O’Neill, nachdem sie am Wochenende in Indianapolis zur Chefin der größten feministischen Graswurzel-Organisation der Vereinigten Staaten gewählt worden war.

Die 56-jährige O’Neill konnte sich damit knapp gegen ihre Konkurrentin Latifa Lyles, 33, durchsetzen. Die jüngere Lyles, eine Afroamerikanerin, war von der noch bis Ende Juli amtierenden Präsidentin Kim Gandy gefördert und protegiert worden. Lyles hatte für sich damit geworben, dass ihre Wahl der Organisation, deren Mitgliedschaft überwiegend weiß und jenseits der 40 ist, einen frischen, multiethnischen Anstrich verpasst hätte. Doch die weißen Frauen wollten mehr vom Gleichen und wählten O’Neill, die NOW bereits von 2001 bis 2005 als Vizepräsidentin gedient hatte.

O’Neill studierte Jura und unterrichtete dies an der University of California. Später arbeitete sie als Rechtsanwältin am Chicagoer Berufungsgericht, bevor sie sich als Anwältin in New Orleans niederließ. Im konservativen Süden begann sie damit, sich gegen Rechtsextremismus und für Feminismus zu engagieren.

Ihr politischer Aktivismus führte sie in die Wahlkampagne von Louisianas erster Gouverneurin, Mary Landrieu. Sie unterstütze zahlreiche Kandidatinnen für wichtige politische Ämter. Gegenwärtig arbeitet sie als Stabschefin eines Ratsmitglieds im Landkreis Montgomery nahe der US-Hauptstadt. O’Neill hat selbst eine Tochter, die „eine stolze Feministin“ sei.

ADRIENNE WOLTERSDORF