Bio ist nicht automatisch fair

Die Mehrheit der weltweit gehandelten Bioprodukte trägt noch kein Fair-Trade-Siegel. Die Ansprüche beider Bewegungen sind teilweise nur mühsam zu vereinbaren

Noch trägt ein großer Teil von Bioprodukten keines der bekannten Fair-Trade-Siegel. Sie werden zwar nach den Standards nachhaltiger und umweltschonender Landwirtschaft produziert, aber eben nicht unbedingt nach denen für Fair-Trade-Produkte – oder sind als solche noch nicht zertifiziert.

Aber die Tendenz ist steigend: 2003 erfüllten rund 40 Prozent von Bioprodukten die Vorgaben für ein Fair-Trade-Label, ein Jahr später waren es etwa 45 Prozent, so Luuk Zonneveld, Geschäftsführer der Fair-Trade-Labelling Organizations International (FLO). FLO ist weltweit eine der größten Zertifizierungsagenturen für fair gehandelte Produkte, kontrolliert und zertifiziert jährlich rund 350 Produzenten – organisierte Kleinbauern, Kooperativen und Vereinigungen wie auch Plantagen und Großbetriebe – in über 45 Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas.

Da in über 100 Ländern schon organischer Landbau verbreitet ist, gibt es für die Kombination Bio-Fair-Trade noch einige weiße Flecken auf der Landkarte. Fairer Handel zielt darauf ab, den Ärmsten der Armen ein gesichertes Einkommen zu garantieren und ihre soziale Situation verbessern. Ein Grund dafür, dass sich eine Kooperation zwischen fairem Handel und Ökobewegung nicht so rasant entwickelt liegt nach Meinung von Zonneveld daran, dass es gerade für die Kleinbauern in Entwicklungsländern, eine Hauptzielgruppe des fairen Handels, schwer ist, von konventioneller Landwirtschaft auf organischen Landbau umzustellen.

Dabei spielen heute nicht nur die Kosten eine Rolle, die bei der Umstellungsphase entstehen und die viele Kleinbauern nicht vorfinanzieren können. Beispiel Bananen: Vielerorts gäbe es für Schädlinge an Bananenstauden noch keine umweltfreundlichen Gegenmittel, erklärt Zonneveld. Also wird weiterhin konventionell angebaut. „Nicht-Bio“ will FLO deshalb nicht zu einem Ausschlusskriterium machen, weil es gerade die sozial Schwachen benachteiligt. Anderes Beispiel: Brasilien. Hier boomt der Biomarkt, aber wenige Produkte werden auch fair gehandelt. Ein hemmender Faktor: Hier besitzen die wenigsten Kleinbauern selbst Land, sondern sind Pächter. Aber fairer Handel soll ihnen nicht nur einen angemessenen Gewinn sichern, sondern auch und gerade ihre Organisationen stärken und Demokratie fördern. Dies ist oft nur gegen den Widerstand von Großgrundbesitzern zu erreichen. Wo kann hier fairer Handel ansetzen, ohne seine strengen Maßstäbe von sozialer Nachhaltigkeit aufzuweichen? Durch externe Berater versucht FLO derzeit die Situation zu klären, um fairen Handel auch in Brasilien zu fördern.

Und noch etwas anderes erschwert Bio-Fair-Trade: Durch den weltweiten Bioboom stellen immer mehr Großbetriebe und Plantagen auf Ökolandbau um, und für Kleinproduzenten wird es zunehmend schwieriger sich auf dem Markt zu behaupten. „Der soziale Aspekt, der traditionell die Biobewegung charakterisiert hat, geht langsam verloren“, urteilt Zonneveld. Aber dieser sei vorrangiges Ziel des fairen Handels. LINE LENHARDT